Reine Glückssache
ungern sein Image als knallharter Typ, aber ich muss dir sagen, über solche Sachen auch nur Witze zu reißen, macht mir keinen Spaß mehr.«
Ich wusste nicht, wie ich es ihm beibringen sollte … ich machte keine Witze. »Ich muss jetzt wieder zu Valerie«, sagte ich.
»Das Fernsehprogramm heute Abend ist beschissen. Ich könnte im Krankenhaus vorbeikommen.«
»Das wäre nett.«
Der Himmel war wolkenverhangen, und ein feiner Nieselregen setzte ein. Die Straßenlampen flackerten auf in dem Dunst. Ein Häuserblock weiter schimmerten gelb die Scheinwerfer der Autos, die auf der Hamilton entlangfuhren. Um zu telefonieren, hatte ich das Krankenhaus durch den Ausgang Richtung Bert Avenue verlassen, war auf die Rückseite des Gebäudes gegangen, gerade so weit, dass mich der Betrieb nicht störte. Beim Reden hatte ich mich mit dem Rücken an die Hauswand gelehnt, hatte versucht, nicht nass zu werden, damit mein Haar sich nicht kräuselte. Früher hatten auf der anderen Straßenseite noch Häuser gestanden, aber die waren abgerissen und ein Parkplatz angelegt worden.
Ein Junge trat aus der Notaufnahme und kam auf mich zu, den Kopf gesenkt, zum Schutz gegen den Regen, einen kleinen Turnbeutel an die Brust gepresst. Dem Gesicht nach zu urteilen ein Teenager, vielleicht Anfang zwanzig, also eigentlich kein Junge mehr, aber er war wie ein Junge gekleidet: Tief sitzende, schlabberige Homeboy Pants, kurzärmliges offenes Hemd über einem schwarzen T-Shirt, stachelige grüne Haare und wahrscheinlich war er noch an tausend Stellen gepierct oder tätowiert, aber das konnte ich aus der Entfernung nicht erkennen.
Ich steckte das Handy wieder in meine Umhängetasche und eilte zurück zur Notaufnahme. Knapp vor mir kam der grünhaarige Junge ins Stolpern und stieß gegen mich. Er riss den Kopf hoch, sah mir in die Augen und hielt mir urplötzlich eine Pistole vor die Nase.
»Umdrehen und weitergehen«, kommandierte er. »Ich kann gut mit diesen Dingern umgehen. Eine falsche Bewegung, und du bist mausetot.«
Normalerweise hielten sich vor den Türen der Notaufnahme immer Leute auf, aber der Regen hatte sie alle ins Haus getrieben. Die Straße war menschenleer, nicht mal Autoverkehr. »Geht’s dir um Geld?«, fragte ich ihn. »Dann nimm meine Tasche, hier.«
»Ha, das hättest du wohl gerne, Süße. Hier geht’s um
Das Spiel,
und ich bin der
Gewinner.
Nur noch ich und der Webmaster sind übrig. Wenn ich dich erledigt habe, darf ich zum nächsten Spiel vorrücken.«
Ich drehte mich um und glotzte ihn ungläubig an.
»Was?«, sagte er. »Hast du nicht gewusst, dass ich das bin? Hast du nicht gewusst, dass der Jäger grünes Haar hat?«
»Wer bist du?«
Er sprang und machte schlitzende Bewegungen mit den Händen in der Luft. »Ich bin Fisher Cat.«
Fisher Cat? Nie gehört. Fischmarder gab es in Trenton nicht, da war ich mir sicher. »Gibt es das Tier wirklich, oder hast du den Namen einfach erfunden?«
»Es gehört zur Familie der Wiesel. Es bewegt sich ganz leise, man hört es kaum. Es ist ziemlich raffiniert. Und es ist bösartig.«
»Hast du schon mal eins gesehen?«
»Nein, eigentlich nicht, also, ich meine, in einem Buch oder so.«
»Wenn ich mich nach einem Tier benennen würde, würde ich es mir vorher gerne erst mal ansehen.«
»Das kommt, weil du keine Fantasie hast. Spieler wie ich haben Fantasie. Wir erfinden Sachen.«
»Was für Sachen?«
»Das Spiel, blöde Kuh. Und dann
transzendieren
wir das Spiel. Also, das Spiel wird Wirklichkeit. Ist das nicht total irre?«
»Ja, total irre.« Ich hatte einen schweren Tag hinter mir, mit viel Adrenalinausstoß. Das heißt, so gesehen, war die ganze Woche schwer gewesen, Tod und Horror satt. In einem Punkt hatte der Kleine Recht. Ich hätte nicht gedacht, dass der Verursacher von so viel Leid ein Knabe mit grünen Haaren und gepiercter Zunge war. »Das Ganze ist also ein Spiel«, sagte ich. »Mit einem Webmaster.«
»Ziemlich cool, was?«
»Hast du als Kind Schmetterlingen die Flügel ausgerissen?«
»Nein. Als Kind war ich der reinste Schwächling. Ich war ein Schwächling, bis ich den Webmaster gefunden habe und in
The Game
eingestiegen bin.«
»Gibt es auch Spielregeln, oder zieht man einfach durch die Gegend und bringt wahllos Leute um?«
»Der Webmaster leitet
The Game.
Er entscheidet, wer mitspielen darf und wer nicht. Nicht jeder X-Beliebige kann mitspielen. Es gibt immer fünf Spieler und einen Preis.
Diesmal bist du der Preis. Ich weiß, dass du
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