Reinen Herzens
gebeten und die Fahrt im Voraus beglichen. Das sei mit Herrn Benda so vereinbart, erklärte er ihr, als er ihren erstaunten Blick bemerkte.
Zwanzig Minuten später war sie zu Hause und schaltete aus alter Gewohnheit gleich den Fernseher an. Nachrichten. Sie mochte das durch den laufenden Fernseher vermittelte Gefühl, nicht ganz alleine daheim zu sein. Berichtet wurde über das Übliche: neue wie alte Kriege, Mord und Totschlag, Betrug und Diebstahl im Großen wie im Kleinen, Skandale, wohin man auch schaute, eine Scheußlichkeit jagte die nächste – hier, wie im Rest der Welt. Überall der gleiche Mist. Sogar in ihrer ach so feinen Kanzlei, wie es schien, dachte sie mit einem Anflug von Empörung. Sie hängte ihren Mantel an die Garderobe, kickte ihre Schuhe darunter und ging – durch den Wein, den Grappa und den Whisky inzwischen etwas angesäuselt – ins Schlafzimmer, um sich umzuziehen. Auf die Details der Nachrichten achtete sie nicht weiter. So genau wollte sie gar nicht wissen, was für grauenhafte Dinge die Menschen sich überall in der Welt antaten. Sie hängte ihr Kostüm in den Schrank und zog ihren Pyjama an. Es hatte keinen Sinn, über diesen und den vergangenen Abend nachzudenken, nicht mit diesem Schwips. Und nicht bevor sie wusste, warum Felix sich so unnachahmlich auf Französisch verabschiedet hatte. Obwohl es ihr schon zu denken gab, wie selbstverständlich Felix und der Ober in dieser ungewöhnlichen Situation zusammengearbeitet hatten. So was passierte sonst nur in Krimis oder Agentenfilmen. Seltsame Sache. Ihr schwindelte, der Boden schien ein bisschen zu schwanken. Vielleicht sollte ich einfach schlafen gehen, dachte sie. Trotzdem kreisten ihre Gedanken weiter um Felix’ plötzlichen Abgang und die Frage, was das alles zu bedeuten hatte. Wüsste sie nicht, dass er Finanzbeamter war, sie könnte denken, er wäre Geheimagent oder so was. Sie kicherte – was für ein absurder Gedanke! Als sie sich in der Küche ein Glas Wasser holte, hörte sie die Titelmusik von Man lebt nur zweimal . Sehr gut, dachte sie, schlafen kann ich immer noch. Ein Agentenfilm wäre eine ausgezeichnete Fortsetzung dieses Abends. Alles wild unwahrscheinlich. So wie meine Geschichte, dachte sie, während sie sich auf dem Sofa in ihre Kuscheldecke wickelte. 007 rettet die Welt. Sie trank ihr Wasser aus, gähnte und wandte sich dem Film zu. Sie bekam noch mit, wie der Agent Ihrer Majestät sein Ableben inszenierte, doch noch bevor er sich das erste Mal mit seinem charakteristischen »Bond, James Bond« vorgestellt hatte, war sie eingeschlafen.
3
Seděli jsme na verandě a byli totálně sťatý.
Muzika bušila. Vtom spad z nebe mrtvý anděl.
Wir saßen auf der Terrasse und waren betrunken.
Die Musik hämmerte.
Da fiel ein toter Engel vom Himmel.
Sie ließen den Flughafen hinter sich und fuhren über die um diese Uhrzeit fast leere Evropská-Straße Richtung Innenstadt. David Anděl, Kommissar der Mordparta, der Prager Mordkommission, warf seiner Freundin Magda einen kurzen Blick zu, die – soweit das in dem kleinen Wagen überhaupt möglich war – zufrieden auf dem Beifahrersitz lümmelte. Er hatte sie nach ihrer sechswöchigen Abwesenheit vom Flughafen abgeholt. Sie saß ihm halb zugewandt, hatte ihre linke Hand auf seine Schulter gelegt und streichelte mit ihren Fingern sanft seinen Nacken. Sie strahlte und plapperte wie ein Wasserfall, seit sie im Auto saßen. Alles war in bester Ordnung, wie es schien. Sie kannten sich erst seit dem Sommer, aber trotz Magdas sechswöchiger Abwesenheit hatte sich zwischen ihnen nichts verändert. Magda erzählte von den Tagen bei ihrer Schwester in Franzensbad, von dem wunderschönen alten Bauernhof, den Valeska hergerichtet und zu einem Yoga-Zentrum ausgebaut hatte, von ebenso anstrengenden wie entspannenden Yoga-Stunden und langen Gesprächen vor dem flackernden Kamin im noch spartanisch eingerichteten Wohnzimmer. Sie sprach von den intensiven und klärenden Gesprächen mit ihren Eltern und ihrer Großmutter in Kanada, von der stillen Beerdigung Danas und davon, dass sie ihr erstaunlicherweise habe verzeihen können. Sie habe ihren Frieden mit dem ganzen Chaos gemacht, sagte sie, und es klang ehrlich, fand er. Er beschränkte sich auf ein gelegentliches Aha und mhm . Seine Gedanken kreisten um das, was er ihr erzählen musste, diese hirnlose Affäre im Frühjahr, die ihm reichlich peinlich war. Es würde nicht angenehm sein zuzugeben, dass er hormongesteuert und
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