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Reinheit: Chronik der Freiheit - Band I (German Edition)

Reinheit: Chronik der Freiheit - Band I (German Edition)

Titel: Reinheit: Chronik der Freiheit - Band I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Hottenrott
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Gerät, das der Arzt der Wache vor die Nase hielt. Scheinbar befand sich darauf ein Bild.
    „Sie haben eine gewisse Ähnlichkeit, aber warum ist dieses Mädchen dann hier?“
    „Ich wurde hierher verschleppt“, sagte ich in einem bemüht weinerlichen Ton.
    „Ich muss das zuerst überprüfen, aber wenn es stimmt, werden wir dich holen.“
    Der Arzt lächelte freundlich und bedankte sich bei der Wache, die seine Hand schüttelte. Dann entfernten wir uns schnell vom Tor des Gettos.
     
     
     
     
    Ich konnte es noch gar nicht fassen. Bald würde ich diesen schrecklichen Ort verlassen können.
    „Du solltest dich von deiner Mutter verabschieden, denke ich.“ Der Arzt begleitete mich noch ein Stück, bis wir seinen Einsatzwagen erreicht hatten. Dort musste er dann verbleiben.
    „Ich möchte ihnen nochmals danken.“
    Der Arzt hob lächelnd seine Hand. „Nichts zu danken. Als Arzt habe ich einen gewissen Kodex, an den ich mich zu halten habe. Ich will eventuelle Schäden vom Menschen abhalten.“
    Er war wirklich ein Verbündeter.
     
     
     
     
    Es waren nur einige Minuten bis zu meiner Mutter. Scheinbar hatte sie bereits die Heimreise angetreten, obwohl sie eigentlich vor dem Wagen warten wollte.
    Ein letztes Mal würde ich wohl diese schreckliche Hütte sehen müssen. Dieses Haus, in dem vor ein igen Jahren noch hunderte Menschen lebten. Nun war es nicht mehr als eine Hütte aus grauem Stein und kalter Architektur. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, warum früher Menschen hier freiwillig wohnen wollten.
    Als ich mich dem Haus näherte und die offenst ehende Tür sah, wusste ich sofort, dass etwas nicht richtig war.
    Instinktiv rannte ich in unsere Wohnung, die sich im zweiten Stock des fünfstöckigen Gebäudes befand. Üblicherweise war die Eingangstür zum Treppenhaus immer geschlossen. So schützten wir uns vor ungebetenen Gästen.
    Ich rannte die Treppen nach oben und wäre beinahe dabei hingefallen, doch ich konnte mich am rostigen Geländer noch abfangen. Und dann sah ich auch, dass die Wohnungstür offenstand.
    Etwas Schlimmes musste passiert sein.
    Als ich näher kam, sah ich auch, dass die Tür scheinbar gewaltsam geöffnet wurde, denn das Schloss war so gut wie zerstört.
    Vorsichtig drückte ich die Tür zur Seite. Sie hing nur noch in einer Angel.
    „Mama, bist du da?“, rief ich in die Wohnung hinein. Doch es kam keine Antwort.
    Erst als ich im kleinen Flur stand und in den gr oßen Raum blickte, der direkt an den Flur angeschlossen war, wusste ich, was passiert war.
    Sie lag bewusstlos am Boden. Ihr Gesicht war vom Blut überströmt. Ich sah eine gewaltige Wu nde, ein Loch, das in ihrem Kopf klaffte. An Bewegung war in diesem Moment nicht mehr zu denken. Mein Körper erstarrte zu einer Säule.
    Trauer. Wut. Zorn. Hass.
    Ein Schrei, der sich aber seinen Weg nicht durch meinen Mund bahnen konnte. Ein klares Ziel, das ich vernichten wollte.
    Ich blieb einige Minuten stehen. Starrte unwil lkürlich auf den leblosen Körper. Dann schloss ich die Augen, denn ich wollte dieses Bild aus meinem Gedächtnis verbannen. Aber es hatte sich schon eingebrannt.
    Nun gab es nichts mehr, was mich hier hielt.
     
     
     
     
    Die letzte Nacht in dieser Hölle war wahrscheinlich auch die schlimmste Nacht meines bisherigen Lebens gewesen.
    Ich lag wach. Neben dem leblosen Körper meiner eigenen Mutter. Ich verbot es mir selbst, ihren Körper als tot zu bezeichnen.
    Auf einmal kam mir diese Wohnung, die ich zuvor als meine Heimat wahrnahm, so viel kälter vor. Meine Mutter machte diese Wohnung zu dem, was sie für mich war.
    Ich konnte nicht weinen, und ich weiß nicht, w arum. Ich wollte, aber es ging nicht. Vielleicht erlaubte ich es mir nicht. Mein Leben lang musste ich Stärke beweisen und so war es auch jetzt.
    Aber ich hatte Fragen.
    Wer hat ihr das angetan?
    Warum hat man es ihr angetan?
    Wieso habe ich sie nicht beschützt?
     
     
     
     
    „Hin und wieder müssen Opfer gebracht werden. Diese Regierung und dieses Volk hat mehr als g enug Opfer dargebracht und heute, nach vier Jahren, können wir sehen, wozu diese dienten. Niemals zuvor gelang es einer vorangegangenen Regierung, solch ein Ergebnis zu erzielen. Wir, meine lieben Bürger und Bürgerinnen, haben ein Patentrezept gegen die Armut gefunden. Wir haben eine Lösung, für die wir beneidet werden. Aber dennoch können wir uns nicht ausruhen, denn die Arbeit muss weitergehen. Wir haben neue, höhere Ziele, die es zu erreichen gilt und, da bin ich

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