Reinheit: Chronik der Freiheit - Band I (German Edition)
Menschen hier geht und nur wegen mir musst du all dies sehen.“
Ich wusste nicht, dass meine Mutter Schuldg efühle hatte.
„Vielleicht würde es dir bei ihnen besser gehen? Vielleicht könnten sie dir Bildung ermöglichen und du könntest dein Talent frei entfalten.“
„Was soll ein Kind ohne seine Mutter?“
Die Augen meiner Mutter wurden schlagartig von Tränen überflutet. Sie hatte mit mir noch nie über diese Sache und diese Gefühle gesprochen.
„Eines Tages komme ich womöglich hier heraus und dann kann ich etwas ändern. Dann kann ich versuchen, auf die Situation hier aufmerksam zu machen, denn ich kann nicht glauben, dass man unsere Umstände hier einfach nur duldet. Welcher Mensch hätte ein Interesse daran, andere Menschen so zu halten?“
Meine Mutter senkte ihren Kopf. „Was meinst du, woher die Anweisung kommt, dass wir keine Kinder produzieren sollen, weil man sie uns sonst wegnehmen wird? Das war die Regierung und damit gibt es Menschen, die an unserem Zustand ein Interesse haben.“
Ich dachte die ganze Nacht lang über diese Aussage nach. Was für Menschen müssen in unserer Regierung sitzen? Warum erhebt sich niemand gegen diese Zustände?
Der nächste Tag brach heran. Heute würde ein Doktor vorbeikommen und uns versorgen.
In der Regel schickte man uns einmal im Monat für einen ganzen Tag ein paar Ärzte. Sie sollten sich eventuelle Wunden ansehen und uns notfalls mit Medikamenten versorgen.
Ich traute diesen Ärzten nie, denn sie waren A ngehörige der Regierung, die uns scheinbar vernichten will. Warum helfen sie uns?
Dennoch musste ich auch zu einem, denn meine Lunge fühlte sich merkwürdig an. Ich bekam manchmal keine Luft und das machte vor allem meiner Mutter Angst. Sie war es dann auch, die mich zu einem dieser Transporter schleppte.
Ein großes, weißes Gefährt mit einem überdeutlich großen und roten Kreuz. Angeblich konnten sie in diesen Wagen sogar komplizierte Operationen durchführen.
Der Arzt, der mich untersuchte, war ein kleiner Mann mit einem freundlichen Gesicht. Schon als ich in den Wagen eintrat, hatte er dieses einlade nde Lächeln auf den Lippen.
„Du bist also Nummer 2150?“, fragte er, wä hrend er in seinen Computer sah.
Ich nahm vor seinem Schreibtisch Platz und nic kte schüchtern. Er sah nur kurz hoch, nickte ebenfalls und starrte wieder auf den Bildschirm.
„Was kann ich für dich tun, Kleines?“
„Meine Lunge macht mir Probleme. Manchmal bekomme ich keine Luft und ich muss oft in der Nacht husten“, erklärte ich schüchtern. Vielleicht war meine Schüchternheit eher Misstrauen.
Er sah mich an, aber jetzt hatte er eine ernste Miene und kein Lächeln mehr. „Kein Wunder, bei der schlechten Luft hier würde jeder Mensch Pro bleme mit seiner Lunge bekommen.“
Der Arzt stand von seinem Stuhl auf, lief um se inen Schreibtisch herum und stellte sich direkt vor mich. „Hebst du bitte deinen Kopf an?“
Ich tat einfach, was er sagte und er begann, me inen Hals abzutasten. Es war eine merkwürdige Situation. Ich misstraute ihm immer noch.
Als er damit fertig war, nickte er, lief zurück und kramte etwas aus einer Schublade seines Tisches hervor. „Nun müsstest du dein Oberteil ablegen.“
Ich sah ihn fragend an.
„Keine Sorge, ich möchte nur deine Lunge abh ören und das klappt besser ohne Kleidung.“
Alles sträubte sich in meinem Inneren dagegen, mich vor ihm zu entblößen. Zögerlich tat ich de nnoch, was er sagte.
Ich hatte meinen Lumpen gerade bis auf Höhe meines Halses angehoben, da sagte er: „Das reicht schon aus. Danke.“
Dieses kleine Ding, das er gegen meinen Brustkorb presste, war furchtbar kalt und als er es das erste Mal anlegte, zuckte ich zusammen.
„Tut mir leid, dass es so kalt ist.“
Nach wenigen Sekunden war er fertig und er legte dieses Teil wieder zurück. „Du kannst dein Oberteil wieder nach unten lassen.“
Er nahm wieder an seinem Schreibtisch Platz und tippte etwas in seinen Computer. Ich hatte schon viele Dinge von Computern gehört, aber ich hatte noch nie einen in der Realität gesehen.
„Die Diagnose ist eigentlich ganz klar. Deine Lunge ist für dein Alter ziemlich unterentwickelt.“
„Was kann man dagegen tun?“
„Viel, aber leider nicht hier. Verstehe mich bitte nicht falsch, ich würde dir nur zu gern helfen, aber leider sind uns die Hände gebunden.“
Enttäuscht senkte ich meinen Kopf. Für einen kurzen Moment hielt ich diesen Mann für eine Art
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