Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Reinheit: Chronik der Freiheit - Band I (German Edition)

Reinheit: Chronik der Freiheit - Band I (German Edition)

Titel: Reinheit: Chronik der Freiheit - Band I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Hottenrott
Vom Netzwerk:
später flog ein Sack aus dem Wagen heraus. Die Menschen stürzten sich allesamt auf den weißen Stoffsack, zerrissen ihn wie wilde Tiere und verteilten so den ganzen Reis. Nur wenige Sekunden später folgten weitere Säcke und das Spektakel wiederholte sich.
    Ich stand noch immer an diesem Fenster, von dem aus ich jetzt schon so viel gesehen hatte. Meine Mutter stürmte ebenfalls zu dieser Me nschenmasse. Sie versuchte sich, ebenfalls ein wenig Reis zu sichern.
    Diese Lieferungen waren die einzige Wohltat der neuen Regierung. Doch diese Lieferungen zeigten auch, dass sie uns nicht so einfach vernichten konnten und ich glaube nicht, dass dies nicht aus moralischen Gründen geschah. Der Regierung war es wohl recht egal, wie man mit uns umsprang, denn wir waren nur arme Leute.
    Vielleicht stimmt die Vermutung, dass sie unsere Kinder brauchen. Vielleicht können sie sich wirklich nicht mehr selbst fortpflanzen.
    Meine Mutter zerrte einen halb aufgerissenen und geleerten Sack Reis hinter sich her. Als sie mich am Fenster stehend sah, schenkte sie mir sogar ein zufriedenes Lächeln.
    Ich erwiderte es. Doch in meinem Inneren sträubte sich alles dagegen, dieses Zeug zu essen. Ich will nicht auf Almosen angewiesen sein! Und dennoch habe ich keine Wahl.
    Entweder esse ich diese trügerischen Spenden oder ich werde verhungern. Aber wenn ich ve rhungere, wer soll dann die Welt verändern?
     
     
     
     
    „Ich begrüße sie herzlich, Präsidentin Monroe.“
    „Guten Abend.“
    „In den letzten Tagen haben wir immer wieder vom Erfolg ihres Projekts Reinheit gehört. Können sie uns kurz erklären, worum es dabei geht?“
    „Natürlich. Meine Regierung ist mit einigen Ve rsprechungen angetreten und eine dieser war das Projekt Reinheit. Wie sie und ihre Zuschauer sicher wissen werden, war Armut schon immer eines der zentralen Probleme der Union. Wir wollten dieses Problem anpacken.“
    „Und die Zahlen sprechen wirklich für sie. Zu m Beginn ihrer Regierungszeit, vor vier Jahren, gab es noch neun Milliarden Menschen, die offiziell in Armut gelebt haben. Wie sieht es jetzt aus?“
    „Nun, heute haben wir die aktuellen Zahlen b ekommen, die besagen, dass es nur noch vier Milliarden Menschen sind. Wir gehen davon aus, dass diese Zahl noch weiter fallen wird.“
    „Allerdings gab es zu ihrem Projekt auch einigen Protest, nicht wahr?“
    „Leider, muss man sagen, haben viele Menschen unser Projekt missverstanden. Es wurde allzu oft als zu radikal bezeichnet. Ich kann diese Vorwürfe zu einem Teil verstehen. Wir sind die erste Regierung, die wirklich hart gegen Armut vorgeht, aber dieser Schritt war längst überfällig.“
    „Weil sie gerade die Proteste ansprechen. Immer wieder wird ihnen und der Regierung auch vorg eworfen, dass die Agenda für das Projekt Reinheit geheim gehalten werde.“
    „Ja, man bezeichnet uns allzu oft als undemokr atisch, aber ich kann ihnen und jedem Bürger versichern, dass wir nichts tun würden, das auch nur ansatzweise illegal ist.“
    „Gibt es denn einen Grund für diese Geheimha ltung, Präsidentin?“
    Die Präsidentin lacht. „Keinen Grund, den ein normaler Bürger nachvollziehen könnte. Wir dü rfen nicht vergessen, dass die alte Union aus den verschiedensten Gründen gescheitert ist und einer dieser Gründe war, dass sie viel zu sehr den Amerikanern vertraut hatte. Wir machen diesen Fehler nicht mehr. Die Union soll unter unserer Regierung einen eigenen Kurs fahren und dazu gehört auch, dass wir nicht jedes Projekt und jeden Schritt offenlegen können.“
    „Sie befürchten also Spionage?“
    „Richtig! Auch die Vereinigten Staaten und vor allem die Asiaten haben große Probleme mit der Armut. Wir wollen ein Vorbild sein.“
    „Nun wurden sie und ihre Partei wiedergewählt. Was steht uns denn noch bevor?“
    „Nun, wir werden Reinheit weiterführen, da es ein großartiger Erfolg ist. Außerdem möchten wir weiterhin an dem Gedanken festhalten, dass Europa souverän sein muss.“
    „Vielen Dank für ihre Zeit.“
    „Gern geschehen.“
    „Das war also Präsidentin Catherine Monroe, die nun zum zweiten Mal zur Präsidentin der Europä ischen Union gewählt worden ist. Ich wünsche ihnen noch einen schönen Abend.“
     
     
     
     
    „Weißt du, manchmal denke ich mir, es wäre besser, wenn sie dich auch holen würden, Serah.“
    Ich sah meine Mutter fragend an. Meinte sie das gerade eben ernst?
    „Ich sehe immer deine traurigen Augen. Ich sp üre, wie nah dir das Leid der

Weitere Kostenlose Bücher