Reinheit: Chronik der Freiheit - Band I (German Edition)
nicht klar, aber aus den Aussagen des Präsidenten geht hervor, dass sie hier auf Flüchtlinge feuern und dieses Massaker vertuschen wollen. Doch wir alle sollten uns fragen, ob das wirklich real sein kann?“
De Croon lehnte sich gemütlich in seinem Sitz zurück. Er verfolgte die Übertragung schon seit Mitternacht. Die Qualität der Bilder und der Zuschnitt des Videos haben ihn sehr beeindruckt. Und offenbar sind seine Informationen doch nicht in die falschen Hände geraten.
Jetzt war es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Aufstände aus dem Ruder laufen werden. Dies war nicht De Croons ursprünglicher Plan. Er wollte lediglich Gerechtigkeit, Transparenz für das Volk. Jeder Bürger sollte wissen, wie die Gedankenwelt des Präsidenten aussieht.
Für ihn war es inakzeptabel, dass ein Präsident einer demokratischen Regierung die Demokratie verriet. In seinen Augen hatte der Leiter des SATurn-Netzwerkes richtig gehandelt.
Er wollte gerade von dem Glas mit dem teuren Wein nippen, als sein Telefon klingelte.
Vollkommen entspannt und zufrieden nahm er den Hörer ab. „Hendrik De Croon.“
„Hier gibt es eine Sache, die sie sich ansehen sol lten, Herr De Croon.“
Genüsslich nahm er einen Schluck Wein. „Kö nnen sie mir die Bilder nicht einfach schicken?“
„Wie sie wünschen. Einen Moment bitte.“
Zwei Bildschirme, die sich auf De Croons Schreibtisch befanden, flackerten auf und zeigten den Ärmelkanal in Großaufnahme.
„Sehen sie diese Punkte da?“
Der Leiter beugte sich etwas nach vorn und erhöhte die Vergrößerung. Ihm blieb beinahe die Spucke weg.
„Das sind Schiffe.“
„Wir müssen uns beeilen“, sagte eine Frau mit panischer Stimme.
Das Boot, in dem sie und einige andere Leute s aßen, schwankte gefährlich Hin und Her. Es hätte jederzeit kentern können. Ringsum sie herum befanden sich noch andere improvisierte Boote.
Kindergeschrei, alte Menschen, die laut au fstöhnten und atmeten und das tosende Geräusch des Wassers waren alles, was man hier hören konnte. Und irgendwo im Hintergrund hallte diese dumpfe Angst nach. Die Furcht von der Regierung erwischt zu werden und der Gedanke daran, was sie mit einem tun werden.
„Es dürfte nicht mehr allzu weit sein bis zur Kü ste“, verkündete der Steuermann des Bootes.
Die Frau wandte sich dem vermeintlich sicheren Land zu und tatsächlich sah sie eine goldene Bank aus feinem Sand. Das Festland. Schon so oft hatte sie davon geträumt, es wenigstens einmal sehen zu dürfen, und nun war es womöglich soweit.
Direkt neben ihr saß ein junger Mann in bete nder Haltung. Seine Lippen bewegten sich stumm. Wahrscheinlich richtete er ein Stoßgebet an Gott, damit er diese Reise sicher überstehen möge.
Eine schwere Welle traf auf das Boot und drän gte es stark zur Seite. Die Frau konnte sich nur unter großer Anstrengung halten. Viele andere Menschen, vor allem die Senioren, fielen ins Meer. Sie tauchten nicht einmal auf, sie waren sofort verschwunden.
De Croon lief mit eiligem Schritt in die Zentrale. In seinem Kopf dachte er bereits über die nächsten Schritte nach. Er musste diesen Strom aus Flüch tlingen irgendwie unterbinden. Notfalls mit Waffengewalt.
Auf dem Weg zum Kommandoposten zückte er sein Smartphone. Es war ihm höchst unangenehm, aber er musste natürlich erst einmal den Präside nten um Erlaubnis fragen.
Ein langes Piepen. „Ja?“
„Hier ist Hendrik De Croon. Wir haben ein Problem, Herr Präsident. Flüchtlinge, vermutlich arme Menschen, versuchen gerade, von den Britischen Inseln ans Festland zu gelangen.“
Eine kurze Pause. „Hier scheint gerade wirklich alles zusammenzubrechen“, sagte der Präsident mit resignierter Stimme.
„Ich muss sie, bevor ich etwas unternehme, um Erlaubnis fragen, ob wir gegen diese Menschen Waffengewalt einsetzen dürfen.“
Wieder eine kurze Pause und Maximilian seufzte leise. „Tun sie, was immer nötig ist.“
„Gut.“ Ohne eine weitere Verabschiedung legte Maximilian wieder auf.
Es war merkwürdig. De Croon hatte Maximilian verraten und dennoch fühlte es sich für ihn nicht so an. In seinen Augen, und davon war er nach wie vor überzeugt, hatte er richtig gehandelt.
Der Leiter betrat die Anlage und alle Mitarbeiter standen kurz auf, um zu salutieren.
„Stehen sie bequem. Und zeigen sie mir noch einmal alle Bilder von diesem Flüchtlingsstrom.“
„Die Ereignisse überschlagen sich hier
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