Reinlich & kleinlich?! - wie die Deutschen ticken
Hotel zu, das vor allem bei Kurgästen sehr beliebt ist. Der Andrang am morgendlichen Büfett war dort so groß, dass ein weiblicher Gast stolperte und sich den Fuß brach. Die Frau hatte unglücklicherweise im Windschatten eines mächtigen Sammlers gestanden, der sie, zwei volle Teller in jeder Hand, einfach umgerannt hatte.
Sie musste ins Krankenhaus und war ob des entgangenen (und voll bezahlten!) Frühstücks so erbost, dass sie Anzeige gegen Hotel und Übeltäter erstattete. Zum Glück für alle Drängler entschied ein österreichisches Gericht, dass die Teilnahme an einem Büfett, Zitat, „auf eigene Gefahr“ geschehe.
Irgendwie haben wir Deutschen das immer schon gewusst. Bei uns gibt es ja sogar das passende Lied dazu, Sie kennen es hoffentlich. Wenn nicht, sollten Sie noch heute im Internet nach Reinhard Meys „Heißer Schlacht am kalten Buffet“ suchen …
„Ich glaube, da kommt noch einer“
Es gibt zwei große Schlachtfelder, auf denen Deutsche und Engländer regelmäßig aufeinandertreffen: Das eine ist der Fußball, das andere sind die Liegen an Stränden und Hotelpools.
Über Fußball sagen unsere britischen Freunde, es sei ein Spiel, das 90 oder 120 Minuten dauere und das am Ende immer die Deutschen gewännen. Zumindest in der direkten Begegnung zwischen einer englischen und einer deutschen Mannschaft ist das bei der Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika einmal mehr bewiesen worden, und die Schmach des Wembleytores haben wir dabei gleich mit wettgemacht. Sie erinnern sich hoffentlich an das jetzt schon legendäre 4:1!
Da wäre es nur gerecht, wenn die Briten wenigstens im Kampf um den besten Platz an der Sonne das eine oder andere Erfolgserlebnis hätten. Haben sie aber nicht. Die Fußball-Weisheit gilt, leicht abgeändert, auch in Bezug auf Sonnenliegen: Es gibt viel zu wenige davon in den Urlaubsorten, in denen die reiselustigen Nationen sich begegnen, und am Ende geht immer der Engländer leer aus.
Bis vor nicht allzu langer Zeit war das auf unser oben beschriebenes Drängler-Gen zurückzuführen: Deutsche Urlauber waren grundsätzlich vor allen anderen wach. Sie stellten sich den Wecker auf fünf Uhr, um lange vor Sonnenaufgang und damit rechtzeitig ihre Handtücher rund um den Pool zu verteilen. Heute müssen sie sich diese Mühe nicht mehr machen und bleiben trotzdem ungeschlagen, und zwar, seit sich bei Reiseanbietern neben Hotelzimmern auch Liegestühle im Voraus buchen lassen. Allerdings nur von Deutschland und nicht von England aus … Das Angebot werde, trotz zusätzlicher Kosten von drei Euro pro Tag, sehr gut angenommen, heißt es.
Die Causa hat es sogar in die britische Boulevardpresse geschafft. Der Daily Telegraph beklagte in einem Artikel eine Wettbewerbsverzerrung durch deutsche Veranstalter: Dadurch werde eine neue Front im „Handtuchkrieg“ eröffnet, an der die Briten nicht gewinnen könnten.
Wen wundert’s: Die Platzreservierung ist eine Spielart des Drängelns, und der Deutsche hat es auch hier zu einer bemerkenswerten Perfektion gebracht. Um sein Ziel zu erreichen, ist ihm dabei fast jedes Mittel recht. Im Urlaub sind es die bereits erwähnten Handtücher, im Restaurant müssen Pullover, Schals, Rucksäcke und nötigenfalls die eigenen Kindern herhalten. Und wenn selbst das nicht reichen sollte, tun es auch die weit ausgestreckten Beine und Arme, im Biergarten zum Beispiel. Sieht blöd aus, hilft aber. Und sollte doch einer kommen und sich erdreisten zu fragen, ob hier frei sei, kann man sich immer noch über Stühle und Bänke legen.
Was lernen wir daraus? Ganz einfach: Egal, wie Sie es anstellen – entscheidend ist, dass Sie wie ein Raubtier rechtzeitig und umfassend Ihr Revier markieren. Je erfolgreicher Sie den nächsten Artgenossen auf Distanz halten, umso besser. Dabei sollten Sie sich für nichts zu schade sein.
Ein probates Mittel ist das sich Maximalvoneinanderentferntsetzen. Wenn es eine Weltmeisterschaft in dieser Kunst gäbe, wären die Titelträger mit hoher Wahrscheinlichkeit Deutsche. Bevor man sich zu Fremden an einen Tisch setzt, wechselt man lieber das Lokal. Ausländische Touristen kommen häufig aus dem Staunen nicht heraus, wenn sie von ihren deutschen Gastgebern mit den Worten: „Ist alles voll“ aus einer Gaststätte gezogen werden, obwohl dort fast die Hälfte der Stühle frei ist. Der Deutsche denkt grundsätzlich nicht in Stühlen, der Deutsche denkt in Tischen. Er möchte für sich sein, wenn er isst, genauso wie er für sich
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