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Reinlich & kleinlich?! - wie die Deutschen ticken

Titel: Reinlich & kleinlich?! - wie die Deutschen ticken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yannik Mahr
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Asphalt erleichtern musste. Es sollte an jenem heißen Sommertag nicht das einzige verdächtige Rinnsal bleiben.
    Will sagen: Unsere Autobahn ist auf dem Weg, zu einer Legende zu werden. Freie Fahrt hat nur, wer spät in der Nacht oder sehr, sehr früh am Morgen unterwegs ist, und das am besten an einem Sonntag. Dann ist die Autobahn bekanntlich für Laster verboten.
    Womit wir wieder beim Thema wären … Denn es gibt im Zusammenhang mit Autobahnen eine Geschichte, die dringend verboten gehört: Die Legende der Ewiggestrigen, dass an Adolf Hitlers Diktatur nicht alles schlecht gewesen sei, weil er den Deutschen schließlich ihre Lieblingsstraße geschenkt hätte, ist so dumm wie falsch. Die Autobahnen sind eine Erfindung aus den 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts, und die erste hat ein gewisser Konrad Adenauer, damals Oberbürgermeister von Köln, eingeweiht. Das war 1932.

Das Lieblingsspielzeug

    Eine der ersten Erinnerungen, die ich an meine Kindheit habe, stammt aus dem Jahr 1974. Ich war fünf und stand mit meiner Mutter an der Lühmannstraße im Hamburger Arbeiterstadtteil Harburg.
    „Gleich kommt Papa“, sagte sie, und ich schaute angestrengt den Bürgersteig rauf und runter. „Und Papa kommt diesmal nicht allein“, sagte meine Mutter.
    Diese Information muss mich damals kurzzeitig verwirrt haben, denn ich fing an zu wimmern und hätte wahrscheinlich richtig losgeheult, wenn wenige Sekunden später nicht ein beiges Auto neben uns gehalten und mein Vater hinter dem Steuer wie wild gehupt hätte.
    „Siehst du, da ist er!“, sagte meine Mutter. „In unserem ersten eigenen Auto.“
    Solche Momente vergisst man nicht. Mein Vater war stolz, meine Mutter war stolz, und ich spürte, dass gerade etwas Bedeutendes passierte. Mein Leben als Deutscher hatte an diesem Tag richtig begonnen, endlich war meine Familie Mitglied der im wahrsten Sinn des Wortes größten nationalen Bewegung.
    Seit Carl Benz im Jahr 1886 den ersten Patent-Motorwagen baute, ist das Auto ein Kernbestandteil deutscher Identität und Sozialisation. Das beginnt mit Situationen wie der oben beschriebenen, geht weiter über Familienurlaube mit dem Auto und Autonummern-Sammeln bis hin zu dem Moment, an dem man zum ersten Mal selbst hinter dem Steuer sitzt. Für einen heranwachsenden Deutschen stellt sich nicht die Frage, ob, sondern wann er den Führerschein macht, wie lange er dafür braucht und inwieweit seine Ersparnisse seit Kommunion beziehungsweise Konfirmation für Fahrstunden und Prüfung reichen. Entscheidend ist, dass man den „Lappen“, der heute eine schmucklose Plastikkarte ist, genau zur Vollendung des 18. Lebensjahrs erhält.
    In der Vergangenheit war das Dokument erst grau, dann rosa, und seine Bedeutung ging weit über die Erlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs hinaus. Der Führerschein diente jahrzehntelang vor allem als Beweis, dass man auch mal jung war. Ein Partygag, die Erinnerung an volle Haare, schmale Gesichtszüge, an die Freundin und das erste Mal allein im Auto. Im Idealfall hatte sich beides verbinden lassen.
    In jedem Fall spielte und spielt der Führerschein beim Erwachsenwerden der meisten Deutschen eine herausragende Rolle. Auch danach warten unvergessliche Erlebnisse: Der erste eigene Wagen, die Mitgliedschaft im ADAC, das erste Knöllchen, vielleicht ein paar Punkte beim Kraftfahrzeugbundesamt in Flensburg. Der Dienstwagen mit den eigenen Initialen auf dem Nummernschild, das erste Foto, wie man mit 150 km/h durch eine Tempo-100-Zone fährt. Die erste Familienkutsche – ein Kombi! –, die alle zusammen ab Werk abholen, Kindersitz inklusive. Und zwischendurch immer wieder die Frage, was mit dem alten Auto geschehen soll, mit „Volvi“, dem „roten Blitz“ oder „Schrotti“, mit „Baby“ oder „Schnucki“.
    Die beiden letzten sind die bei uns beliebtesten Kosenamen, und sie unterstreichen, dass ein Auto für die Deutschen mehr ist als ein Beförderungsmittel von A nach B. In Zahlen [23] : 62 Prozent können sich nicht vorstellen, auf ihren Wagen zu verzichten. Damit ist das Auto wichtiger als der Fernseher (50 Prozent), und es gibt nicht wenige, die täglich etwa gleich viel Zeit mit beiden verbringen, nämlich zwischen einer und drei Stunden. Nahezu jeder zweite Deutsche hat ein ungutes Gefühl, wenn er seinen geliebten Opel, VW oder BMW verleihen soll, für jeden Dritten kommt das auf gar keinen Fall infrage. Mehr als die Hälfte wäscht das Fahrzeug mindestens einmal im Monat, und ich

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