Reise durch die Sonnenwelt
Sonne, die Nacht von denen der Sterne erglänzte, ohne daß die eine mehr Wärme zu spenden schien, als die anderen.
Hierzu ist wohl zu bemerken, daß diese excessive Temperatur in der freien Luft doch recht wohl zu ertragen war. Denn nur die heftig bewegte kalte Luft, der scharfe, schneidende Wind, die ungesunden Nebel, die fürchterlichen Schneewirbel – das ist es, dem sich die in den arktischen Regionen Ueberwinternden deshalb nicht ungestraft aussetzen dürfen, weil dadurch die Lungen so zu sagen ausgetrocknet und zur Erfüllung ihrer physiologischen Functionen untauglich werden. Hierin ist die Ursache zu suchen, die das Leben der Polarfahrer so häufig und ernstlich bedroht. Während der Perioden der Ruhe aber wenn die Atmosphäre nicht erregt ist, können sie, sei es auf der Insel Melville, wie Parrey, oder jenseit des 81. Breitengrades, wie Kane, ja, noch über den von dem unerschrockenen Hall und den Naturforschern der »Polaris« erreichten Grenzen, der Kälte, und wenn sie noch so intensiv wäre, recht wohl trotzen. Sobald sie nur geeignete Kleidung und hinreichende Nahrung haben, setzen sie sich bei Windstille der stärksten Temperatur-Erniedrigung aus, und haben das selbst gewagt, wenn die Alkoholthermometer sechzig Grad unter Null zeigten.
Die Kolonisten von Warm-Land befanden sich also unter den günstigsten Verhältnissen gegenüber der Kälte des leeren Weltraumes.
An Pelzwerk aus den Vorräthen der Goëlette und an selbst zugerichteten Fellen litten sie ja keinen Mangel. Ihre Nahrung war stoffreich und gesund. Die Ruhe der Atmosphäre gestattete ihnen gleichzeitig, trotz der sehr starken Erniedrigung der Temperatur, nach Belieben ein-und auszugehen.
Der General-Gouverneur der Gallia achtete übrigens mit besonderer Sorgfalt darauf, daß Alle stets entsprechend warm gekleidet und ordentlich ernährt blieben. Gesundheitsfördernde Uebungen waren nicht nur vorgeschrieben, sondern wurden auch täglich gewissenhaft ausgeführt. Nichts geschah außerhalb des Programmes für das gemeinschaftliche Leben. Weder der junge Pablo noch die kleine Nina bildeten eine Ausnahme von dieser Regel. Halb vermummt in ihren Pelzen, ähnelten diese liebenswürdigen Wesen fast graziöseren Eskimos, wenn sie am Ufer von Warm-Land Schlittschuh liefen. Pablo zeigte sich immer besorgt um seine Gespielin. Er nahm an ihren Vergnügungen theil und unterstützte sie, wenn sie einmal ermüdete. Beide benahmen sich eben, wie Kinder ihres Alters zu thun pflegen.
Und was wurde aus Isaak Hakhabut?
Nach seiner ungeschickten Interpellation Palmyrin Rosette’s war er ganz bestürzt nach seiner Tartane zurückgekehrt. In den bisherigen Vorstellungen des Juden vollzog sich nun eine wesentliche Veränderung. Jene eingehenden und bestimmten Angaben des Professors konnte er wohl nicht bezweifeln und bezweifelte er auch nicht mehr. Er wußte es jetzt, daß ein umherirrender Komet ihn durch den Weltraum führte, Millionen Meilen hinweg von der Erdkugel, auf der er so viele und so gute »Geschäftchen« gemacht hatte!
Wenn er sich jetzt betrachtete, der sechsunddreißigste Bewohner der Gallia, sollte man wohl annehmen, daß diese, jeder menschlichen Voraussicht spottende Lage seine Gedanken und seinen Charakter einigermaßen beeinflußt und zu einer gewissen Einkehr in sich selbst bestimmt haben müßte, daß bessere Gefühle in ihm zum Durchbruch gekommen wären gegen die wenigen, welche Gottes Gnade noch an seiner Seite gelassen hatte, um sie nicht ferner nur als Ziel seiner Habsucht zu betrachten.
Leider war dem nicht so. Hätte sich Isaak Hakhabut geändert, so wäre er ja nicht mehr das Musterexemplar dessen gewesen, was der Mensch werden kann, der immer nur an sich selbst denkt. Im Gegentheil, seine Sinnesart verhärtete sich eher noch mehr; er dachte nur an das Eine: die gegebene Lage bis zum Aeußersten auszunutzen. Den Kapitän Servadac kannte er längst viel zu gut, um sicher zu sein, daß ihm von keiner Seite werde ein Unrecht geschehen dürfen; er wußte sein Heil unter den Schutz eines französischen Officiers gestellt, und daß ihm, von höherer Gewalt abgesehen, gewiß keine Schädigung drohe. Da der Eintritt einer höheren Gewalt nicht zu erwarten stand, so schmiedete Isaak Hakhabut seine Pläne für die nächste Zukunft in folgender Weise:
Waren die Aussichten auf eine Rückkehr nach der Erde auch nur gering, so durften sie doch nicht völlig aus dem Auge gelassen werden. Englisches und russisches Gold und Silber
Weitere Kostenlose Bücher