Reise durch die Sonnenwelt
Eure Schnellwaage auch wieder zurückerhalten.
– Das ist aber ein sehr empfindliches Instrument, mein lieber Herr, erwiderte Isaak Hakhabut. Kann doch zerspringen die Feder bei dieser großen Kälte! …
– O, dieser erbärmliche Kerl! rief Palmyrin Rosette.
– Dann soll vielleicht auch gewogen werden etwas zu Schweres.
– Denkst Du, wir wollen einen Berg d’rauf wiegen, Ephraim? spottete Ben-Zouf.
– O, mehr als einen Berg! erklärte Palmyrin Rosette ernsthaft. Wir wollen die ganze Gallia wiegen!
– Erbarmen! Erbarmen!« winselte der Jude, dessen erheuchelte Klagen seinen eigentlichen Zweck deutlich genug verriethen.
Kapitän Servadac mußte von Neuem vermitteln.
»Meister Hakhabut, sagte er, wir brauchen die Waage, um höchstens ein Kilogramm damit zu wiegen.
– Ein ganzes Kilogramm? Herrgott Israels!
– Und auch dieses Gewicht wird sich in Folge der schwächeren Anziehungskraft der Gallia noch wesentlich vermindern. Ihr habt also für Eure Schnellwaage nichts zu fürchten.
– Ich glaub’s, Herr General-Gouverneur, ich glaub’s, antwortete der Jude, aber leihen … eine Schnellwaage leihen! …
– Nun, wenn Ihr darauf nicht eingeht, sagte da Graf Timascheff, wollt Ihr sie vielleicht verkaufen?
– Verkaufen? wendete der Jude auch gegen diesen Vorschlag ein, meine Waage verkaufen! Doch wenn ich sie verkauft hätte, womit sollte ich wiegen meine Waaren? Ich habe keine andere Waage! Ich besitze nur das eine arme, kleine, sehr empfindliche und sehr genaue Instrument, und das soll ich hergeben!«
Ben-Zouf begriff es gar nicht, daß sein Kapitän den widerwärtigen Alten, der sich ihm so widerwillig zeigte, nicht gleich beim Schopfe nahm. Hector Servadac schien sich aber damit zu belustigen, an dem Juden alle Künste der Ueberredung zu versuchen.
»Nun also, Meister Isaak, sagte er, ohne im Geringsten heftig zu werden, ich sehe wohl, daß Ihr nicht zustimmen werdet, uns jene Waage zu leihen …
– Ach, kann ich’s denn, Herr General-Gouverneur?
– Noch sie zu verkaufen?
– Verkaufen? Niemals!
– Gut, wollt Ihr sie uns vermiethen?«
Isaak Hakhabut’s Augen flammten auf wie glühende Kohlen.
»Würden Sie auch für jeden Schaden haften? fragte er.
– Ja.
– Und deponiren auch ein Unterpfand, welches im Falle der Beschädigung mir gehört?
– Ja wohl.
– Wie viel?
– Hundert Francs für ein Instrument, das zwanzig werth ist. Reicht das?
– Kaum … Herr Gouverneur … kaum, bedenken Sie, daß diese Schnellwaage die einzige ist in unserer neuen Welt. Doch, es sei, zahlen Sie diese hundert Francs in Gold?
– In blanken Goldstücken.
– Und Sie wollten mir abmiethen diese Waage, welche ich so nöthig brauche, abmiethen für einen Tag?
– Nur für einen Tag.
– Und der Miethpreis? …
– Wir zahlen zwanzig Francs für den einen Tag, sagte Graf Timascheff. Paßt Euch das?
– Ach … ich kann nicht hart sein! … murmelte der Jude die Hände faltend. Man muß sich zu begnügen wissen.«
Der Handel war also, offenbar zur größten Befriedigung des Juden, abgeschlossen. Zwanzig Francs Miethgeld, hundert Francs Caution für Beschädigung, Alles in gutem französischen oder russischen Golde. Wahrlich, Isaak Hakhabut hätte sein Recht der Erstgeburt nicht für ein Linsengericht hingegeben, die Linsen wären denn Perlen gewesen.
Nach einem verdächtig prüfenden Blicke ringsumher verließ der Jude die Cabine, um die Waage zu holen.
»Ein schrecklicher Mensch! sagte Graf Timascheff.
– Gewiß, antwortete Hector Servadac, ein Muster seiner Art.«
Gleich darauf trat Isaak Hakhabut wieder ein und brachte das verlangte Instrument, das er sorgfältig im Arme trug.
Es bestand aus einer Federwaage mit Haken zum Anhängen der zu wägenden Gegenstände. Eine über einem Gradbogen bewegliche Nadel zeigte das betreffende Gewicht an. Diese Angaben waren also, wie Palmyrin Rosette vorher erklärt hatte, unabhängig von der Schwerkraft, wie groß diese auch sein mochte. Eingetheilt für irdische Wägungen, mußte dies Instrument auf der Erde für jeden ein Kilo schweren Gegenstand auch tausend Gramm anzeigen. Wie viel würde es aber für denselben Gegenstand auf der Gallia markiren? Das wird der Leser später erfahren.
Hundertzwanzig Francs in Gold wurden dem Juden hingezählt, dessen Hände sich wie der Deckel einer Casette über dem kostbaren Metalle schlossen. Ben-Zouf erhielt die Schnellwaage ausgehändigt und die Besucher der Hansa schickten sich an, die Cabine zu
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