Reise durch die Sonnenwelt
der Kapitän. Da es hier aber empfindlich kalt ist, werdet Ihr uns in Eurer Cabine wohl eine Viertelstunde gastfreundlich aufnehmen.
– Wie? Sie wollen bei mir eintreten? rief der Jude, der sich gar nicht zu verhehlen bemühte, wie verdächtig ihm dieser Besuch erschien.
– Das ist unsere Absicht, antwortete der Kapitän, der, gefolgt von seinen Gefährten, jetzt die letzten Stufen erkletterte.
– Ich kann Ihnen nichts anbieten, jammerte der Jude. Ich bin nur ein armer Mann.
– Da fängt er wieder seine alte Litanei an! polterte Ben-Zouf heraus. Marsch, Elias, Platz machen!«
Dabei nahm die Ordonnanz Hakhabut am Kragen und schob ihn ohne Umstände zur Seite. Dann öffnete er die Thür zur Schiffstreppe.
Noch bevor sie eintraten, sagte Kapitän Servadac:
»Hört wohl, Hakhabut, wir kommen nicht, um Euch wider Willen etwas von Eurem Hab und Gut zu nehmen. Ich wiederhole hiermit, daß ich, wenn die Noth und das allgemeine Interesse es erfordern, nicht zaudern werde, es zu thun, das heißt, Eure Waare zum allgemeinen Besten zu expropriiren … natürlich gegen Zahlung des europäischen Marktpreises.
– Des europäischen Marktpreises, brummte Isaak Hakhabut in den Bart. Nein, nach dem Marktpreise auf der Gallia, und den werde ich selbst bestimmen!«
Hector Servadac und seine Begleiter waren inzwischen nach der Cabine der Hansa hinabgestiegen. Diese bot nur einen sehr beschränkten Raum, da der größte Theil des Schiffsinnern für die Ladung reservirt zu sein schien. In einer Ecke erhob sich ein kleiner gußeiserner Ofen, in welchem sich zwei Stückchen Kohle bemühten, nicht allzu schnell zu verbrennen. Jenem gegenüber befand sich eine Art Matratzenrahmen, der als Bett diente. Den Hintergrund nahm ein Schrank mit wohlverschlossener Thür ein. Einige Schemel, ein Holztisch von zweifelhafter Sauberkeit und die unumgänglich nothwendigen Küchengeräthe vervollständigten die Ausstattung. Das Ganze bot, wie man sieht, blutwenig Comfort, war aber seines Besitzers vollkommen würdig.
Ben-Zouf’s erste Sorge nach dem Betreten der Cabine bestand darin, in den Ofen einige Stücke Kohle nachzuschütten, eine Vorsicht, welche die niedrige Temperatur des Raumes vollkommen rechtfertigte. Isaak Hakhabut, der lieber seine eigenen Knochen verbrannt hätte, wenn er solche zum Wechseln besessen, heulte und jammerte zwar über diese Vergeudung seines Brennmateriales, doch kümmerte sich Niemand um seine Einreden. Ben-Zouf faßte neben dem Ofen Posto und bemühte sich, den Brand bestens anzufachen. Die Gäste setzten sich, so gut es eben anging, und überließen es dem Kapitän Servadac, den Zweck ihres Hierseins auseinander zu setzen.
Isaak Hakhabut stand, seine hakenförmigen Hände fest ineinander geschlagen, in einer Ecke und glich fast einem armen Sünder, der sein Urtheil erwartet.
»Meister Isaak, begann der Kapitän Servadac, wir sind einfach hierher gekommen, Euch um eine Gefälligkeit zu ersuchen.
– Eine Gefälligkeit? …
– Die das allgemeine Beste betrifft.
– Ich habe aber kein gemeinschaftliches Interesse …
– Hört nur erst, Hakhabut, und jammert nicht vorher. Es handelt sich nicht darum, Euch das Fell über die Ohren zu ziehen.
– Von mir zu verlangen eine Gefälligkeit! Von mir, einem armen, beklagenswerthen Manne … heulte der Jude.
– Es betrifft nämlich Folgendes!« fuhr Hector Servadac fort, als hätte er Hakhabut’s Wehklagen gar nicht gehört.
Durch diese umständliche Einleitung setzte er sich der Gefahr aus, Isaak Hakhabut glauben zu machen, daß man ihm sein ganzes Eigenthum abnehmen wolle.
»Mit einem Worte, Meister Isaak, erklärte Kapitän Servadac, wir bedürfen eine Schnellwaage. Könnt Ihr uns eine Schnellwaage leihen?
– Eine Schnellwaage! rief der Jude, so, als hätte Jemand Tausende von Francs von ihm leihen wollen. Sie sagen eine Schnellwaage? …
– Ja, eine Schnellwaage zum Wiegen! wiederholte Palmyrin Rosette, dem so viel Umstände die Geduld raubten.
– Besitzt Ihr denn keine Schnellwaage? fragte auch Lieutenant Prokop.
– Gewiß hat er eine! versicherte Ben-Zouf.
– In der That … ja … ich glaube wenigstens … antwortete Hakhabut stockend, um sich nach keiner Seite zu binden.
– Nun also, Meister Isaak, wollt Ihr die außerordentliche Gefälligkeit haben, uns diese Schnellwaage zu leihen?
– Zu leihen? Herr General-Gouverneur, Sie wollten sie von mir leihen …
– Auf einen Tag, fiel der Professor ein, nur auf einen Tag, Jude. Ihr werdet
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