Reise durch die Sonnenwelt
Gewichtsstück, finden dürfte.
– Wo?
– In der Tartane des Juden.
– Das hättest Du gleich sagen können, Schwachkopf! sagte der Professor mit verächtlichem Achselzucken.
– Natürlich werden wir sie sofort holen lassen, erklärte Kapitän Servadac.
– Ich gehe schon, versetzte Ben-Zouf.
– Ich werde Dich begleiten, fuhr Hector Servadac fort, denn Hakhabut dürfte wahrscheinlich Schwierigkeiten erheben, wenn es sich darum handelt, etwas herzuleihen.
– Begeben wir uns Alle zusammen nach der Tartane, meinte Graf Timascheff. Wir können ja einmal sehen, wie der Jude sich in der Hansa eingerichtet hat.«
Dieser Vorschlag wurde angenommen, doch als Alle sich anschickten, zu gehen, sagte der Professor:
»Graf Timascheff, könnte mir nicht einer Ihrer Leute aus der Felsenmasse der Bergwand einen Würfel von genau einem Decimeter Seite herstellen?
– Das wird meinem Mechaniker nicht schwer fallen, antwortete der Gefragte, freilich unter der Bedingung, daß man ihm ein Maß liefert, um die genaue Länge abnehmen zu können.
– Sollten Sie hier ebensowenig ein Metermaß wie eine Schnellwaage besitzen?« rief Palmyrin Rosette.
In der That fand sich im Hauptmagazin das verlangte Maß nicht vor, wie Ben-Zouf zu seiner Beschämung gestehen mußte.
»Indessen, fügte er hinzu, wäre es doch möglich, daß sich eines an Bord der Hansa fände.
– So gehen wir dahin!« erwiderte Palmyrin Rosette und verschwand schnellen Schrittes in der langen Hauptgalerie.
Die Uebrigen folgten. Bald darauf erschienen Hector Servadac, Graf Timascheff, Prokop und Ben-Zouf auf dem das Ufer überragenden Felsen.
Sie stiegen hinab bis zum Strande und wendeten sich nach der engen Bucht, welche die Dobryna und die Hansa in ihrem Eispanzer gefangen hielt.
Obwohl die Temperatur außerordentlich niedrig war – fünfunddreißig Grad unter Null – konnten sie derselben doch, Dank ihrer guten Kleidung und Verhüllung durch dichte Pelzüberröcke und dicke Mützen, ohne größere Beschwerde trotzen. Daß Bart, Augenbrauen und Wimpern der Männer sich unverzüglich mit seinen Eiskrystallen bedeckten, rührte nur her von dem Gefrieren des Wasserdunstes ihres Athems in der kalten Luft. Ihr Gesicht mit den weißen, seinen, spitzen Eisnadeln, welche ihnen eine gewisse Aehnlichkeit mit Stacheligeln verliehen, machte fast einen komischen Eindruck. Das Antlitz des Professors, der bei seiner kleinen Figur schon mehr einem jungen Bären glich, sah jetzt freilich noch abschreckender aus als sonst.
Es war um acht Uhr Morgens. Die Sonne stieg schnell nach dem Zenith zu empor. Ihre durch die ungeheure Entfernung auffallend verkleinerte Scheibe bot etwa den Anblick des Vollmondes bei dessen Culmination. Die Strahlen derselben gelangten hierher ohne fühlbare Wärme zu spenden und verbreiteten auch nur ein wesentlich geschwächtes Licht. Alle Uferfelsen am Fuße des Vulkanes und auch dessen Hauptmassen selbst zeigten noch die makellose Weiße der letzten Schneefälle aus der Zeit, wo sich noch feuchte Dünste in der Atmosphäre der Gallia sammelten. Weiter rückwärts, bis hinauf zu dem rauchenden Gipfel des Kegels, der die ganze Umgebung beherrschte, breitete sich der ungeheure blendende Teppich aus, den keine Fußspur unterbrach. Am nördlichen Abhange floß die Lava-Cascade hinunter.
Dort wich der Schnee dem glühenden Strome, der launenhaft jeder Einsenkung folgend, sich bis zur Oeffnung der Haupthöhle hinabwälzte, von wo aus er senkrecht in’s Meer hinabstürzte.
Ueber dieser Höhle, etwa in der Höhe von hundertfünfzig Fuß, gewahrte man an der Bergwand eine dunkle Oeffnung, über der sich ein Arm des vulkanischen Stromes gabelförmig theilte. Aus dieser heraus ragte das Rohr eines astronomischen Teleskopes. Hier war das Observatorium Palmyrin Rosette’s.
Auch der Strand erschien völlig weiß und verschmolz ohne sichtbare Grenzlinie mit dem gefrorenen Meere. Als Gegensatz zu diesen weiß blendenden Flächen färbte den Himmel ein dunkles, mattes Blau. Auf dem Strande sah man die Fußspuren der Kolonisten, welche hier täglich zu verkehren pflegten, entweder um Eis zu holen, durch dessen Schmelzung das nöthige Süßwasser gewonnen wurde, oder auch um dem Vergnügen des Schlittschuhlaufens nachzugehen.
Bald darauf erschienen sie auf dem das Ufer überragenden Felsen. (S. 310.)
Die von den Schlittschuhen in die harte Fläche eingeritzten Linien kreuzten sich hier vielfach, ähnlich wie die Kreise, welche Wasserinsecten
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