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Reise durch die Sonnenwelt

Reise durch die Sonnenwelt

Titel: Reise durch die Sonnenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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wenn sie auf die Erde fiele, ihrer großen Menge wegen keinen besonderen Werth erlangen, und so schenkten sie diesem Tellurit nicht mehr Aufmerksamkeit als etwa einem Granitfelsen.
    Eines lernten sie aber doch durch diese Nachforschungen kennen: daß das Centralfeuer noch immer in Thätigkeit war, und sie schlossen daraus, daß, wenn die Eruption nicht mehr durch ihren Vulkan vor sich ging, andere feuerspeiende Oeffnungen auf der Oberfläche der Gallia entstanden sein müßten.
    So verstrichen der Februar, März, April und Mai, sozusagen in einer Art moralischer Erschlaffung, von der sich die Gefangenen kaum klare Rechenschaft gaben. Die meisten derselben vegetirten mehr in einer nachgerade beunruhigenden Erstarrung. Die früher mit so großem Interesse angehörten Vorlesungen vereinigten jetzt keine lauschenden Zuhörer mehr um den großen Tisch. Die Unterhaltung beschränkte sich auf zwei bis drei Personen und wurde nur mit halber Stimme geführt. Die Spanier vorzüglich schienen niedergeschlagen und verließen ihre Lager so gut wie gar nicht mehr. Kaum rührten sie sich noch, um ein wenig Nahrung zu nehmen. Die Russen widerstanden besser und betrieben die wenigen Arbeiten mit noch mehr Eifer. In dem Mangel an Thätigkeit lag die größte Gefahr dieser langdauernden Einschließung. Kapitän Servadac, Graf Timascheff und Lieutenant Prokop bemerkten recht wohl die Fortschritte dieses Zustandes, doch was vermochten sie dagegen zu thun? Sie selbst fühlten sich ziemlich angegriffen von der tödtenden Langweile und widerstanden dieser Prüfung nicht immer. Bald zeigten sich die Folgen durch eine ungewöhnlich lange Dauer des Schlafes, bald durch einen unbesieglichen Widerwillen gegen jede Nahrung, welcher Art sie auch war. Man hätte fast sagen können, daß diese tief im Boden vergrabenen Gefangenen den Schildkröten im Winter glichen und auch wie diese bis zum Eintritt wärmerer Jahreszeit schliefen und fasteten.
    Von der ganzen Gallia-Kolonie hielt sich die kleine Nina noch am besten. Sie ging und kam und munterte Pablo auf, den die allgemeine Erstarrung ebenfalls ergriffen hatte. Sie sprach bald zu dem Einen, bald zu einem Anderen, und ihre frische Stimme schallte durch die dunklen Tiefen wie das lustige Lied eines Vögleins. Hier veranlaßte sie zu trinken, dort zu essen. Sie war mit einem Worte die Seele dieser kleinen Welt und belebte sie durch ihr munteres Wesen. Sie trällerte stets hübsche italienische Liedchen, wenn in diesem dunklen Grabe ein bedrückendes Schweigen herrschte. Sie summte wie eine kleine Fliege, die sich jedoch nützlicher und wohlthuender erwies als die Fliege des Fabeldichters. In diesem kleinen Wesen pulsirte ein so übersprudelndes Leben, daß sie sozusagen Jedem einen Theil desselben einflößte. Diese Wechselwirkung vollzog sich zwar gewiß, ohne daß die Betreffenden davon besonders wußten, war aber nichtsdestoweniger vorhanden, und zweifelsohne diente die Anwesenheit Nina’s den in ihrer Wintergrube halb entschlafenen Gallia-Bewohnern nur zum Heile.
    Indeß, die Monate vergingen. Wie? das hätten weder Kapitän Servadac noch seine Genossen sagen können.
    Mit Anfang Juni schien die allgemeine Erstarrung sich nach und nach zu lösen. Dankte man das dem Einfluß des Strahlengestirns, dem man sich langsam näherte? Vielleicht, und doch stand die Sonne noch so unendlich fern. Lieutenant Prokop hatte während der ersten Hälfte der Gallia-Revolution ihre Stellung nebst den von dem Professor dazu angegebenen Ziffern genau notirt. Er gewann dadurch graphisch hergestellte Ephemeriden und konnte nun auf einer gezeichneten Bahn dem Lauf des Kometen mit mehr oder weniger Genauigkeit folgen.
    Nach Ueberschreitung des Aphels war es ihm leicht, die Position der Gallia während ihrer Rückkehr zu verzeichnen und seine Gefährten auf dem Laufenden zu erhalten, ohne Palmyrin Rosette über jeden einzelnen Punkt zu befragen.
    Dabei sah er denn auch, daß die Gallia nach nochmaliger Durchschreitung der Jupiterbahn noch in der enormen Entfernung von 114 Millionen Meilen von der Sonne schwebte. Entsprechend dem einen Kepler’schen Gesetze nahm die Schnelligkeit ihrer Bewegung aber fortwährend zu und vier Monate später trat sie der Rechnung nach in die Zone der teleskopischen Planeten, bei 75 Millionen Meilen Entfernung von der Sonne, wieder ein.
    Zu dieser Zeit – in der zweiten Hälfte des Juni – hatten Kapitän Servadac und seine Gefährten ihre physischen und moralischen Fähigkeiten vollkommen

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