Reise durch die Sonnenwelt
Satellit dient, besitzt.«
Wirklich zeigte sich ein kleiner leuchtender Punkt, etwa ähnlich den Satelliten des Jupiter in mittelstarken Teleskopen anzusehen, in dem Gesichtsfelde des Rohres.
»Wenn das der Mond aber nicht ist, was ist’s denn dann? rief Kapitän Servadac und stampfte mit dem Fuße. Die Venus ist es nicht und Merkur ist es nicht, denn diese haben keine Satelliten. Unzweifelhaft aber handelt es sich hier nur um einen Planeten innerhalb der Bahn der Erde, da er die Sonne bei ihrer scheinbaren Bewegung begleitet.
– Zum Teufel, wenn es Venus und Merkur nicht ist, so kann es aber nur der Mond sein, und wenn es der Mond ist, wo, zum Kuckuck, hat er jenen Satelliten hergestohlen?«
Achtes Capitel.
Worin die Rede ist von der Venus und dem Merkur, welche zu Steinen des Anstoßes zu werden drohen.
Bald stieg die Sonne wieder auf und das ungezählte Heer der Sterne verschwand vor ihrem mächtigen Glanze. Jetzt war’s mit dem Beobachten zu Ende. Bei geeignetem Zustande der Atmosphäre sollte die Fortsetzung in der nächsten Nacht folgen.
Von der Scheibe, welche früher durch die Wolkendecke schimmerte, keine Spur. Sie war entweder in Folge einer ungeheuren Entfernung oder der Richtung ihres regellosen Laufes dem Blicke vollkommen verschwunden.
Die Witterung ließ sich wieder prächtig an. Der nach dem früheren Westen umgesprungene Wind hatte sich fast vollständig gelegt. Mit tadelloser Pünktlichkeit ging die Sonne über ihrem neuen Horizonte auf und an dem entgegengesetzten unter. Tage und Nächte währten mathematisch genau je sechs Stunden lang, woraus der Schluß folgte, daß die Sonne sich nicht von dem neuen Aequator entfernte, dessen Kreisbogen über die Insel Gourbi lief.
Gleichzeitig stieg die Temperatur fortwährend. Kapitän Servadac las mehrmals täglich das in seinem Zimmer angebrachte Thermometer ab und fand am 15. Januar, daß es im Schatten 50° C. (= 40° R.) zeigte.
Da der Gourbi auch jetzt noch in Ruinen lag, so versteht es sich von selbst, daß Kapitän Servadac und Ben-Zouf das größte Zimmer des Wachthauses möglichst wohnlich in Stand gesetzt hatten. Erst boten dessen Mauern ihnen einen besseren Schutz gegen die wahrhaft diluvianischen Regengüsse, jetzt wehrten sie erfolgreicher dem Eindringen der versengenden Tageshitze. Letztere ward nach und nach wirklich unerträglich, vorzüglich da kein Wölkchen mehr den entsetzlichen Sonnenbrand auffing, und gewiß brütete weder über dem Senegal noch über den Aequatorialgebieten Afrikas jemals vorher eine solche verzehrende Gluth. Wenn diese Temperatur anhielt, mußte alle Vegetation der Insel in kürzester Zeit verkohlen.
Treu seinen Principien, gab Ben-Zouf sich alle Mühe, von dieser abnormen Hitze gar nicht belästigt zu erscheinen; der Schweiß aber, der ihm in Strömen herab rann, strafte ihn Lügen. Er hatte trotz der Abmahnungen seines Kapitäns seinen Wachtdienst auf dem Uferfelsen nicht einstellen wollen. Dort ließ er sich, auf dem Auslug nach dem wie ein Teich so stillen und ganz verlassenen Mittelmeere, gewissensruhig braten. Er mußte wohl eine doppelte Haut und mit einer Außenwand verblendete Hirnschale haben, um die lothrechten Strahlen der Mittagssonne überhaupt aushalten zu können.
Eines Tages machte Kapitän Servadac ihm gegenüber eine derartige Bemerkung.
»Na, Du bist doch wohl unter den Tropen geboren?
– Ei nein, Herr Kapitän, direct auf dem Montmartre, und da ist’s manchmal eben so!«
Darüber, daß auf Ben-Zouf’s Leib-und Lieblingshügel eine eben solche Hitze herrschen könne wie in den Aequatorgegenden, war mit ihm gar nicht zu discutiren.
Die außergewöhnliche Temperatur mußte natürlich auch auf die Producte der Insel Gourbi ihren sichtbaren Einfluß äußern. Auch die Natur empfand ja die Folgen jenes schroffen klimatischen Wechsels. Binnen wenig Tagen schoß der Saft der Bäume bis in deren letzte Zweige in die Höhe, die Knospen sprangen, die Blätter entfalteten sich die Blumen erblühten und die Früchte erschienen. Nicht anders stand es mit den Cerealien. Korn-und Maisähren wuchsen vor den Augen und die Wiesen bedeckten sich mit einem üppigen grünen Teppich. Heu-, Getreide-und Fruchternte fielen in ein und dieselbe Periode; Sommer und Herbst flossen zu einer einzigen Jahreszeit zusammen.
Warum hatte Kapitän Servadac auch sich nicht eingehender mit Kosmographie beschäftigt? Er hätte sich dann Folgendes sagen müssen.
»Wenn die Neigung der Erdachse eine andere wurde
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