Reise durch die Sonnenwelt
sich in der größten östlichen oder westlichen Abweichung von der Sonne befindet, strahlte jetzt in vollem Glanze. Seine, den Mondphasen ganz analogen Veränderungen, seine Brechung der Strahlen der Sonne, welche ihm siebenmal mehr Licht und Wärme zusendet als der Erde, seine heißen und kalten Zonen, welche in Folge der starken Neigung seiner Umdrehungsachse fast durcheinander fallen, seine Aequatorgegenden und die bis neunzehn Kilometer hohen Berge – Alles erhöhte das Interesse an der Beobachtung dieser leuchtenden Scheibe, der die Alten den Namen die »Glänzende« gaben.
Doch vom Merkur drohte ja noch keine unmittelbare Gefahr. Am 18. Januar war die Distanz zwischen den beiden anderen Planeten etwa auf eine halbe Million Meilen reducirt. Die Lichtintensität der Venus warf schon einen deutlichen Schatten hinter die irdischen Gegenstände. Man konnte auf jener bereits Wolken entdecken und schien die mit Dünsten überladene Atmosphäre die Scheibe mit zebra-ähnlichen Streifen zu überziehen. Man sah die sieben Flecke, welche, wie Bianchini ganz richtig angenommen hat, wirklich unter sich zusammenhängenden Meeren angehören. Endlich war der Planet auch bei hellem Tageslichte zu sehen, was dem Kapitän Servadac jedenfalls weit weniger schmeichelte als seinerzeit dem General Bonaparte, als er, noch unter dem Directorium, die Venus am hellen Mittag sah und sie nicht ungern als »seinen Stern« bezeichnen hörte.
Am 20. Januar hatte die »reglementmäßig« den beiden Gestirnen vorgeschriebene Distanz noch weiter abgenommen.
»In welcher Angst mögen jetzt unsere Kameraden von der afrikanischen Armee schweben, unsere Freunde in Frankreich und überhaupt alle Bewohner beider Continente? fragte sich wiederholt Kapitän Servadac. Wie viele Artikel darüber werden jetzt die Zeitungen füllen? Welche andächtige Menge in den Kirchen! Jetzt wird man das Ende der Welt kommen glauben! Ich denke auch, Gott sei mir gnädig, daß es noch nie so nahe war! Und ich, ich erstaune darüber, daß kein Schiff in Sicht der Insel erscheinen will, um uns Verlassene abzuholen. Hat denn der General-Gouverneur, hat der Kriegsminister jetzt die Zeit, um an uns zu denken? Vor Verlauf von zwei Tagen wird die Erde in Millionen Stückchen zertrümmert sein, welche dann ganz nach Belieben im Weltraume umherirren.«
Es sollte aber anders kommen.
Von diesem Tage ab schienen sich die beiden einander drohenden Gestirne nach und nach zu entfernen. Zum Glück fielen die Bahnen der Erde und die der Venus nicht vollständig zusammen, so daß es nicht zur Collision kam.
Ben-Zouf stieß einen Seufzer des guten Zutrauens aus, als sein Kapitän ihm die frohe Botschaft mittheilte.
Am 25. Januar war die Distanz schon groß genug, um in dieser Hinsicht jede Furcht zu verscheuchen.
»Nun wohl, sagte Kapitän Servadac, diese Annäherung hat uns wenigstens dazu gedient, zu zeigen, daß die Venus keinen Mond besitzt!«
Wirklich hatten Dominique Cassini, Short, Montaigne des Limoges, Montbarron und einige andere Astronomen ganz im Ernste an das Vorhandensein eines solchen Satelliten geglaubt.
»Es ist wirklich fatal, scherzte Hector Servadac, diesen kleinen Mond hätten wir vielleicht im Vorüberfliegen abfangen können und besäßen dann zwei solche Begleiter. Aber zum Kuckuck, ich komme doch nie dazu, eine Erklärung für diese Umänderung der ganzen Himmelsmechanik zu finden.
– Herr Kapitän? ließ sich da Ben-Zouf vernehmen.
– Was willst Du?
– Giebt es nicht in Paris am Ende des Luxembourg ein Haus mit einer großen Haube auf dem Kopfe?
– Das Observatorium?
– Ja freilich. Ist es denn nicht die Sache der Herren, die in diesem Haubenhause wohnen, alles das zu erklären?
– Ohne Zweifel.
– Nun, so wollen wir den Ausspruch der Herren ruhig abwarten, Herr Kapitän, und uns als Philosophen fügen.
– Ei, Ben-Zouf, weißt Du denn überhaupt, was man unter einem Philosophen versteht?
– Gewiß, weil ich Soldat bin.
– Nun was denn?
– Sich dem Schicksal zu unterwerfen, wenn man es zu ändern nicht im Stande ist, und das ist ganz unser Fall.«
Hector Servadac gab seiner Ordonnanz keine weitere Antwort, man darf aber wohl mit Recht vermuthen, daß er vorläufig wenigstens darauf verzichtete, das zu erklären, was für ihn doch unerklärlich blieb.
Da trat ganz unerwartet ein Ereigniß ein, welches von sehr weitreichenden Folgen sein konnte.
Am 27. Januar gegen neun Uhr Morgens kam Ben-Zouf ganz seelenruhig nach dem
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