Reise durch die Sonnenwelt
befand sich kaum zwei Minuten im Ofen, als das Wasser schon kochte.
»Alle Teufel, das Feuer macht jetzt aber eine tüchtige Hitze, rief Ben-Zouf.
– Das Feuer heizt nicht mehr als sonst, erwiderte Kapitän Servadac nach einigem Nachdenken, doch das Wasser siedet schneller.«
Er ergriff ein Centesimal-Thermometer, das noch an der Wand hing, und tauchte es in das wallende Wasser.
Das Instrument zeigte nur sechsundsechzig Grad.
»Recht hübsch! sagte der Officier, jetzt kocht das Wasser schon bei sechsundsechzig Grad statt sonst bei hundert!
– Und dann, Herr Kapitän?
– Dann, Ben-Zouf, rathe ich Dir, Deine Eier getrost eine Viertelstunde in der Casserole zu lassen, und auch dann werden sie kaum gekocht sein.
– Aber hart?
– Nein, mein Freund, höchstens dürften sie dann so weit gesotten sein, um unser Brot mit Eierschnittchen belegen zu können.«
Die Ursache dieser Erscheinung lag offenbar in einer Höhenabnahme der Atmosphärenschichten, was auch schon mit der beobachteten Verringerung der Dichtigkeit der Luft übereinstimmte. Hierin täuschte sich Kapitän Servadac nicht. Die Luftsäule über der Erdoberfläche hatte ungefähr um ein Viertel abgenommen und aus demselben Grunde kochte auch das unter einem geringeren Drucke stehende Wasser schon bei niedrigeren Wärmegraden.
Dieselbe Erscheinung würde sich auf einem etwa 10,000 Meter hohen Berge gezeigt haben, und wäre Kapitän Servadac im Besitze eines Barometers gewesen, so hätte er die Abnahme der Luftschwere nachzuweisen vermocht. Aus eben der Ursache leitete sich ferner bei ihm und Ben-Zouf die Abschwächung der Stimme, die lebhaftere Athmung her, ebenso wie die hohe Spannung in den Blutgefäßen, an welche sie sich schon gewöhnt hatten.
»Und doch, sagte er zu sich selbst, ich kann doch unmöglich annehmen, daß unser Aufenthaltsort zu einer solchen Höhe emporgehoben worden wäre, denn dort sieht man ja das Meer, dessen Brandung sich an dem steilen Ufer bricht.«
Trotz Hector Servadac’s richtiger Schlußfolgerungen war er doch nicht im Stande, die Ursache jener Phänomene zu erklären.
Inde ira
.
In Folge des längeren Verweilens im Wasser erschienen die Eier wirklich nahezu gekocht. Dasselbe war mit dem Kuskussu der Fall. Ben-Zouf überzeugte sich sehr bald, daß er seine Küchenverrichtungen in Zukunft einfach eine Stunde früher beginnen müsse, und setzte seinem Herrn die Speisen vor.
Als dieser nun trotz seiner wechselnden Empfindungen mit größtem Appetite aß, begann Ben-Zouf, der jedes Gespräch mit einer unbestimmten Frage einzuleiten liebte:
»Und nun, Herr Kapitän?
– Nun, Ben-Zouf? erwiderte der Officier, nach der ebenso unabänderlichen Gewohnheit seiner Ordonnanz zu antworten.
– Was werden wir nun beginnen?
– Ei, wir werden warten.
– Warten? Auf was?
– Bis Jemand uns abholt.
– Auf dem Seewege?
– Natürlich, da wir vorläufig auf einer Insel campiren.
– Sie meinen also, Herr Kapitän, daß die Kameraden …
– Ich denke, oder vielmehr ich hoffe, daß die Verwüstungen der unerklärlichen Katastrophe auf vereinzelte Punkte der algierischen Küste beschränkt geblieben sind und unsere Kameraden sich demnach wohl und gesund befinden.
– Ja, freilich, Herr Kapitän, das wollen wir hoffen.
– Es unterliegt ferner keinem Zweifel, daß der General-Gouverneur in Folge dieser Vorgänge gewisse Maßregeln anordnen wird. Er muß z.B. von Algier aus nothwendig ein Fahrzeug aussenden, um das jetzige Ufer zu untersuchen, und ich hoffe auch, daß er unser nicht ganz vergessen habe. Hab’ also Acht auf das Meer, Ben-Zouf, wenn ein Schiff in Sicht kommt, müssen wir ihm Signale geben.
– Doch, wenn sich keines sehen läßt?
– Dann bauen wir selbst ein solches und fahren zu Denen, die nicht zu uns kamen.
– Recht schön, Herr Kapitän. Sie sind also auch Seemann?
– Seemann ist man immer, wenn es sein muß!« erwiderte mit unerschütterlicher Ruhe der Stabsofficier.
Wir wissen nun, warum Ben-Zouf im Laufe der nächsten Tage fast unausgesetzt mit einem Fernrohr vor den Augen den Horizont musterte. Kein Segel erschien aber im Gesichtsfelde seines Glases.
»Verdammter Kabyle! rief er, Seine Excellenz der Herr General-Gouverneur scheint uns einigermaßen zu vernachlässigen!«
Am 6. Januar hatte sich die Situation der beiden Insulaner nach keiner Seite geändert. Mit diesem sechsten Januar ist übrigens das wahre Datum, d.h. dasjenige des irdischen Kalenders bezeichnet, bevor die Erdentage noch
Weitere Kostenlose Bücher