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Reise durch die Sonnenwelt

Reise durch die Sonnenwelt

Titel: Reise durch die Sonnenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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plötzlich auf.
    In der Nacht vom 13. zum 14. Januar verscheuchten die letzten Ausläufer des Sturmes den Rest der Wolken. Sobald Hector Servadac, der sechs Tage lang in dem Wachthause eingesperrt gewesen war, bemerkte, daß Regen und Wind nachließen, begab er sich in’s Freie. Er eilte nach dem Ufer, um auch seine Blicke forschend hinaus schweifen zu lassen. Was sollte er nun in den Sternen lesen? Zeigte sich vielleicht jene große, in der Nacht vom 31. December zum 1. Januar gesehene Scheibe einmal wieder? Würde das Geheimniß seiner Bestimmung nun enträthselt werden?
    Der Himmel strahlte in schönstem Glanze. Kein Nebel verhüllte die Sternbilder. Das Firmament lag einer ungeheuren Himmelskarte gleich vor ihm ausgebreitet, und da und dort sah man leichte Nebelflecke mit bloßem Auge, die sonst ein Astronom ohne Fernrohr nicht zu entdecken im Stande gewesen wäre.
    Die erste Sorge des Officiers war es, den Polarstern in’s Auge zu fassen, denn hierin lag seine größte Stärke.
    Er fand ihn, aber sehr tief am Horizonte, und es schien als stelle jener nicht mehr den Angelpunkt für die Umdrehung des ganzen Sternensystems dar. Mit anderen Worten, die unendlich verlängerte Erdachse traf nicht mehr den Punkt des Firmamentes, den jener Stern sonst einnahm. Wirklich hatte er schon nach einer Stunde seinen Stand merkbar verändert und neigte sich mehr und mehr dem Horizonte zu, als gehörte er zu einem Sternbilde des Thierkreises. Jetzt galt es, das Gestirn aufzufinden, das etwa an dessen Stelle getreten wäre, also den Punkt, welchen die verlängerte Erdachse nun durchschnitt. Dieser Beobachtung widmete sich Hector Servadac mehrere Stunden lang. Der neue Polarstern mußte ebenso unbeweglich erscheinen wie früher der alte; um ihn allein mußte sich die scheinbar tägliche Revolution des gesammten Sternenheeres vollziehen.
    Kapitän Servadac erkannte bald, daß ein dem nördlichen Horizonte sehr nahe stehender Stern diese Bedingung der Unbeweglichkeit erfüllte und allein unter allen übrigen stationär erschien.
    Dieser Stern war die Wega in der Leier – derselbe übrigens, der in Folge des Fortschreitens der Nachtgleichen in 12,000 Jahren wirklich die Rolle des Polarsternes zu übernehmen bestimmt ist. Da in vierzehn Tagen aber 12,000 Jahre doch unmöglich verflossen waren, so blieb nur die Annahme übrig, daß die Erdachse eine plötzliche Veränderung ihrer Richtung erlitten haben müsse.
    »Und nicht die Achsenrichtung allein, schloß der Kapitän weiter, ist jetzt eine andere, sondern das Mittelmeer muß auch in die Nähe des Aequators versetzt sein, da jener Stern von hier aus dem Horizonte so nahe zu stehen scheint.«
    Er versank in tiefes Sinnen, während seine Blicke vom großen Bären, der jetzt ein Sternbild des Thierkreises darstellte und dessen Schwanz gar nicht mehr zu sehen war, nach jenen neuen Sternen der südlichen Hemisphäre schweiften, die sich zum ersten Male vor seinen Augen erhoben.
    Ein Ausruf Ben-Zouf’s erinnerte ihn erst wieder an die Erde.
    »Der Mond! rief die Ordonnanz.
    – Der Mond!
    – Ja, ja, der Mond!« wiederholte Ben-Zouf, hoch erfreut, den »Begleiter der irdischen Nächte«, wie die Dichter sagen, wiederzusehen.
    In der That zeigte sich eine Scheibe an der, dem jetzt von der Sonne eingenommenen Punkte entgegengesetzten Stelle.
    War das der Mond oder einer der kleineren Planeten, der in Folge der Annäherung vielleicht nur größer erschien?
    Kapitän Servadac wäre sehr in Verlegenheit gewesen, sich hierüber auszusprechen. Er holte ein starkes Fernrohr, dessen er sich bei seinen geodätischen Arbeiten gewöhnlich zu bedienen pflegte, und richtete es nach dem Gestirn.
    »Wenn das der Mond ist, sagte er dann, so muß er sich beträchtlich von uns entfernt haben. Ich schätze die Distanz bis zu ihm nicht auf Tausende, sondern auf Millionen von Meilen!«
    Nach genauer Beobachtung glaubte er behaupten zu können, daß das der Mond nicht sei. Er fand auf der beleuchteten Scheibe nicht jene Abwechselung von Licht und Schatten, welche ihr einige Aehnlichkeit mit einem Menschenantlitz verleihen; nichts von den Ebenen und Bergen des Mondes, noch von dem bekannten Stern von Streifen, die rings um den berühmten Berg Tycho ausstrahlen.
    »Nein, nein, das ist nimmermehr der Mond! erklärte er.
    – Ja, warum denn nicht? fragte Ben-Zouf, der von seiner vermeintlichen Entdeckung nicht so leicht abzubringen war.
    – Weil jenes Gestirn daselbst noch einen kleinen Mond, der ihm als

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