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Reise durch die Sonnenwelt

Reise durch die Sonnenwelt

Titel: Reise durch die Sonnenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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physikalischen Weltordnung kein graues Haar wachsen, sobald sie wußten, daß ihr angeborener Herr dasselbe Los mit ihnen theilte.
    Lieutenant Prokop war freilich sehr unruhig und sagte sich, daß mit Graf Timascheff im Grunde dasselbe der Fall sei.
    Die Dobryna steuerte unter Dampf und Segel den Cours West-Ost und mußte bei dem sehr günstigen Winde ohne Zweifel mindestens elf Knoten in der Stunde zurücklegen, wenn die hohen Wellen nicht jeden Augenblick diese Schnelligkeit »gebrochen« hätten.
    Obwohl der aus Westen – jetzt dem neuen Osten – herwehende Wind höchstens den Namen einer guten Brise verdiente, so ging das Meer, wenn auch nicht übermäßig hoch, doch ziemlich beträchtlich. Die Ursache ist leicht einzusehen. Die in Folge der verminderten Attraction der Masse der Erde weit leichteren Wassermoleküle erhoben sich durch einen einfachen Effect der Oscillation zu ganz enormer Höhe. Arago, der das Maximum der Elevation für die höchsten Wogen zu sieben bis acht Meter ansetzte, würde sie hier zu seiner größten Verwunderung bis zu fünfzig und sechzig Fuß haben ansteigen sehen. Und das waren noch nicht einmal Brandungswellen, die gegeneinander stoßend oft hoch aufspringen, sondern lang gestreckte Wasserberge, welche die Goëlette bisweilen mit einer Niveaudifferenz von zwanzig Metern hoben und senkten.
     

    Lieutenant Prokop.
     
    Die seit der Abnahme der Schwerkraft ebenfalls verhältnißmäßig leichtere Dobryna tanzte ordentlich auf und nieder, und wenn Kapitän Servadac zur Seekrankheit inclinirt hätte, wäre er unter diesen Verhältnissen gewiß ganz jämmerlich gequält worden.
     

    Kapitän Servadac richtete die wild aufflammenden Augen über das Meer. (S. 84)
     
    Uebrigens traten diese Niveauunterschiede auch nicht so schnell und stoßend auf, da sie nur von einer Art sehr gestreckter hohler See herrührten. Die Goëlette arbeitete dabei nicht mehr, als ob sie gegen die im Allgemeinen so kurzen und harten Wellen des Mittelmeeres kämpfte. Das einzige Unbequeme des jetzigen Zustandes der Dinge lag vor Allem in der verminderten Fahrgeschwindigkeit des Schiffes.
    In einer Entfernung von zwei bis drei Kilometern folgte die Dobryna einer Linie, welche etwa der algierischen Küste entsprechen mußte. Nach Süden hin zeigte sich kein Land. Obwohl Lieutenant Prokop nicht im Stande war, den wirklichen Ort der Goëlette durch Planetenbeobachtungen zu ermitteln, da die gegenseitigen Stellungen jener Sterne gestört waren, und obwohl er also kein Besteck machen, d.h. die geographische Länge und Breite durch Berechnung des Höhenstandes der Sonne über dem Horizonte nicht bestimmen konnte, und die Resultate einer solchen Berechnung überdies nur nutzlos in die vor dem neuen kosmographischen System bearbeiteten Karten eingetragen worden wären, so ließ sich der Cours der Dobryna doch mit annähernder Genauigkeit bestimmen. Einestheils reichte für diese beschränkte Seefahrt hierzu die mittels der Logleine zu erlangende Schätzung des durchlaufenen Weges aus, anderentheils sicherten ihn die ganz genauen Angaben des Compasses.
    Glücklicher Weise zeigte letzterer keinen Augenblick eine Störung oder Mißweisung Die kosmischen Phänomene blieben ohne Einfluß auf die Magnet nadel, welche den magnetischen Nordpol noch immer in derselben Richtung, zweiundzwanzig und einen halben Grad vom nördlichen Pole der Welt, markirte. Waren also Ost und West eines an die Stelle des anderen getreten, so hatten doch Nord und Süd ihre Stellung unter den Cardinalpunkten des Horizontes unverrückt beibehalten. Auch ohne die, wenigstens vorläufig unmögliche Benutzung des Sextanten konnte man sich also mit den Angaben des Compasses und der Logleine begnügen.
    Im Laufe des ersten Reisetages erklärte Lieutenant Prokop, der in diesen Dingen natürlich mehr Kenntnisse hatte als der französische Stabs officier, in Gegenwart des Grafen Timascheff diese verschiedenen Einzelheiten. Er sprach, wie die Russen meistens, vollkommen französisch. Die Unterhaltung wendete sich erklärlicher Weise den Erscheinungen zu, deren letzte Ursache dem Lieutenant Prokop freilich ebenso unbekannt war wie unserem Kapitän. Vorzüglich handelte es sich dabei um die neue Bahn, welche die Erdkugel seit dem ersten Januar eingeschlagen hatte.
    »Es liegt auf der Hand, Kapitän, sagte Lieutenant Prokop, daß die Erde, welche eine uns unbekannte Ursache der Sonne nicht unbedeutend genähert, ihre alte Bahn um jene nicht mehr beschreibt.
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