Reise durch die Sonnenwelt
Nach der Ueberfluthung des umgebenden Landes hätte doch dieser Gipfel die Fläche des Oceans als Eiland überragen müssen!
Weiterhin dampfend, gelangte die Dobryna über Douera, den Hauptort der Sahelberge, hinaus, passirte Boussavic, die Stadt mit den breiten, von Platanen beschatteten Straßen, und ließ auch Blidah hinter sich, von dessen den Qued-el-Kebir um vierhundert Meter überragendem Fort nicht eine Spur aufzufinden war.
Lieutenant Prokop, der sich auf dieses unbekannte Meer allzuweit hinaus zu wagen fürchtete, schlug zwar vor, wieder einen nördlichen oder wenigstens östlichen Cours zu nehmen; auf Kapitän Servadac’s dringendes Ersuchen ward indeß die Richtung nach Süden vorläufig noch beibehalten.
So setzte man diese Entdeckungsreise fort bis zu den Bergen von Mouzaia mit ihren sagenhaften Grotten, welche früher den Kabylen als Zuflucht dienten, wo ehemals Johannesbrot-und Nesselbäume und Eichen aller Art grünten, während Löwen, Hyänen und Schakale hier ihre Lager hatten. Der höchste Berggipfel, der sich noch vor sechs Wochen zwischen Bou-Roumi und Chiffa erhob, hätte sich eigentlich weit über die Fluthen erheben müssen, denn er erreichte eine Höhe von nahe sechzehnhundert Meter! … Aber nichts, gar nichts war zu sehen, weder an der Stelle selbst, noch am Horizonte, wo sich Himmel und Wasser vermählten.
Man sah sich also gezwungen, nach Norden umzukehren, und bald schaukelte die Goëlette wieder auf den Wogen des früheren Mittelmeeres, ohne eine Spur des Landes wieder gefunden zu haben, das ehedem die Provinz Algier bildete.
Elftes Capitel.
Kapitän Servadac entdeckt ein von der Katastrophe verschontes Eiland – freilich nur ein Grab.
Es unterlag keinem weiteren Zweifel, daß ein sehr großer Theil der Kolonie Afrika untergegangen war. Offenbar handelte es sich hier um mehr, als das bloße Verschwinden einiger Landstrecken unter dem Wasser. Es schien vielmehr, als hätten sich die gierig geöffneten Eingeweide der Erde über einem ganzen Lande wieder geschlossen. In der That waren ja die ganzen Felsenrücken der Provinz spurlos verschwunden und ein neuer, aus unbekannten Substanzen bestehender Boden vertrat jetzt die Stelle des früheren sandigen Grundes, auf dem das Meer sonst ruhte.
Die Ursache dieser unerhört entsetzlichen Zerstörung entging auch jetzt noch den Fahrgästen der Dobryna. Jetzt galt es diesen nur, die letzte Grenze jener Verwüstung aufzufinden.
Nach reiflicher Ueberlegung kam man dahin überein, mit der Goëlette weiter nach Osten, längs der Linie zu segeln, welche früher die Küste des afrikanischen Festlandes an dem jetzt scheinbar unbegrenzten Meere bildete. Die Fahrt bot keine besonderen Schwierigkeiten und so benutzte man gern die Chancen der jetzt so freundlichen Witterung und des günstigen Windes.
»Herr Graf, begann Kapitän Servadac, ich wage die Bitte …« (S. 86.)
Aber auch während dieser Reise längs der Küste vom Cap Matifou bis zur Grenze von Tunis fand man durchaus keinen Ueberrest von früher, weder die amphitheatralisch angelegte Seestadt Dellys, noch am Horizonte eine Andeutung der Jura-Kette, trotzdem deren höchster Gipfel bis auf zweitausenddreihundert Meter anstieg; weder die Stadt Bougie, noch die steilen Abhänge des Gouraya, den Berg Adrar, Didjela, die Berge Kleinkabyliens, den Triton der Alten, jene Gruppe von sieben Landvorsprüngen mit einer Erhebung bis zu elfhundert Meter; weder Collo, den alten Hafen von Konstantine, noch Stora, den neuen Hafen von Philippeville, noch auch Bona, das über seinem Golfe von vierzig Kilometer Oeffnung thronte. Man sah nichts mehr, weder vom Cap de Garde, noch vom Cap Rose, weder von dem First der Berge von Edough noch von den sandigen Dünen der Küste, weder von Mafrag, noch von dem durch die ausgedehnte Industrie seiner Korallenarbeiter berühmten Calle, und wurde eine Sonde auch zum hundertsten Male auf den Grund hinabgesenkt, nie, niemals brachte sie ein Exemplar der prächtigen Wasserthiere des Mittelmeeres mit empor.
Graf Timascheff beschloß nun, der Linie zu folgen, welche sich vordem von der tunesischen Küste nach dem Cap Blanc, d.h. nach dem nördlichsten Punkte Afrikas hinzog. An dieser engsten Stelle des Meeres zwischen dem afrikanischen Festlande und Sicilien konnte jenes vielleicht einige bemerkenswerthe Erscheinungen bieten.
Die Dobryna hielt sich also in der Richtung des siebenunddreißigsten Breitengrades und passirte am 7. Februar den siebenundzwanzigsten
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