Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Reise durch die Sonnenwelt

Reise durch die Sonnenwelt

Titel: Reise durch die Sonnenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
Einschnitt der Felsenkette. Hier bot sich ein Hafen, wenn nicht eine Durchfahrt. Die Dobryna gehorchte der kräftigen Hand des Lieutenants Prokop und schoß, getrieben von Wind und Wellen, in den rettenden Hafen hinein! … Vielleicht sollte sie nie wieder daraus entkommen!
Dreizehntes Capitel.
In dem die Rede ist vom Brigadier Murphy, Major Oliphant, Corporal Pim und einem Geschoß, das sich jenseit des Horizontes versiert.
    »Wenn Sie erlauben, werde ich Ihren Läufer nehmen, sagte der Brigadier Murphy, der sich nach zweitägigem Zögern zu diesem allseitig überlegten Zuge entschloß.
    – Gewiß erlaube ich, was ich doch nicht hindern kann!« erwiderte der Major Oliphant, ganz versunken in die Betrachtung des Schachbrettes.
    Diese Worte fielen am Morgen des 17. Februars – alten Stils, d.h. des Kalenders, der vor sechs bis sieben Wochen die richtigen Zeitangaben enthielt; doch verging der ganze Tag, ehe Major Oliphant auf jenen Zug Brigadier Murphy’s durch einen Gegenzug antwortete.
    Wir bemerken hierzu, daß erwähnte Schachpartie seit nun vier Monaten im Gang war und die beiden Gegner doch noch nicht mehr als zwanzig Züge gethan hatten. Beide gehörten übrigens zur Schule des berühmten Philidor, der die Bauern »die Seele des Spieles« nennt, und Niemanden für »stark« ansieht, der mit diesen nicht geschickt zu operiren weiß. So war auch bei vorliegender Partie noch kein Bauer leichtsinnig geopfert worden.
    Ganz dem entsprechend, überließen der Brigadier Henage Finch Murphy und der Major John Temple Oliphant niemals etwas dem Zufalle, sondern handelten unter allen Umständen nur nach reiflichster Ueberlegung.
    Brigadier Murphy und Major Oliphant waren zwei ehrenwerthe Officiere der englischen Armee, vom Geschick zusammen gewürfelt auf einer entlegenen Station, wo sie sich die drückende Langeweile durch Schachspielen zu verkürzen pflegten. Beide etwa vierzig Jahre alt, groß von Gestalt, Beide rothblond, das Gesicht verziert mit den schönsten Backenbärten der Welt, an deren unteren Ecken wieder ein langer Schnurrbart auslief, stets in Uniform, immer phlegmatisch, stolz auf ihre Nationalität als Engländer, und Alles von Natur mißachtend, was nicht englischen Ursprungs war, huldigten sie der Anschauung, daß der Angelsachse aus einem ganz besonderen Teige geknetet sei, der sich auch noch jetzt jeder chemischen Analyse entziehe. Diese Officiere waren vielleicht nur zwei geistlose Gliedermänner, aber doch solche, vor denen die Vögel Angst haben, und welche das ihnen anvertraute Feld untadelhaft vertheidigen. Die Engländer fühlen sich gewöhnlich überall zu Hause, selbst wenn das Schicksal sie Tausende von Meilen von der engeren Heimat verschlägt; bei ihren Kolonisationslatenten würden sie ohne Zweifel den Mond kolonisiren – sobald es ihnen möglich würde, daselbst die britische Flagge aufzupflanzen.
    Die Umwälzung mit ihren auf einen Theil der Erdkugel so tief eingreifenden Veränderungen hatte stattgefunden, ohne weder bei Major Oliphant noch bei Brigadier Murphy ein besonderes Erstaunen zu erregen. Sie sahen sich nur plötzlich zugleich mit elf Mann auf einem Posten isolirt, den sie schon vor der Katastrophe inne hatten, während von dem ungeheuren Felsen auf dem Tags vorher noch mehrere hundert Officiere und Soldaten kasernirten, nichts mehr übrig geblieben war als ihr beschränktes, vom Meere umspültes Eiland.
    »Oho! begnügte sich damals der Major zu sagen, das ist ja eine sonderbare Geschichte.
    – Wahrhaftig, eine sonderbare! hatte ihm einfach der Brigadier geantwortet.
    – Aber noch lebt Alt-England!
    – Jetzt und immerdar!
    – Seine Schiffe werden uns auch wieder heimführen.
    – Gewiß.
    – So bleiben wir ruhig auf unserem Posten.
    – Einverstanden.«
    Uebrigens möchte es den beiden Officieren und den elf Mann etwas schwierig geworden sein, ihren Posten zu verlassen, selbst wenn sie es gewollt hätten, denn sie besaßen nur ein einfaches Boot. Heute noch Bewohner des Festlandes, morgen nebst ihren zehn Soldaten und dem Diener Kirke plötzlich Insulaner, erwarteten sie mit unerschütterlicher Geduld die Stunde, bis irgend ein Schiff ihnen Nachrichten vom Mutterlande bringen würde.
    Die Verpflegung der wackeren Leute schien übrigens hinreichend gesichert. In unterirdischen Räumen des Eilandes fanden sich noch Vorräthe, dreizehn Magen – sogar dreizehn englische – mindestens sechs Monate lang zu sättigen. Wenn Pöckelfleisch, Ale und Brandy zur Hand sind, dann

Weitere Kostenlose Bücher