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Reise durch die Sonnenwelt

Reise durch die Sonnenwelt

Titel: Reise durch die Sonnenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Sonnenscheibe, welche vom Mars aus dem Auge des Beobachters ungefähr in ähnlicher Größe erschienen wäre. Daraus ließ sich demnach schließen, daß die Erde die Bahn dieses Planeten erreicht habe, der ihr übrigens auch in physischer Hinsicht sehr ähnlich ist. Schließlich führte das Alles zu der Annahme, daß die neue von der Erde innerhalb des Sonnensystems durchlaufene Bahn eine sehr verlängerte Ellipse bilden mußte.
    Um diese kosmische Erscheinung kümmerten sich die Insassen der Dobryna zur Zeit freilich blutwenig. Sie beunruhigten sich nicht wegen der veränderten Bewegung des Erdballs in seiner Bahn, sondern hatten nur ein Auge für die auf der Oberfläche desselben vorgegangenen Umwälzungen, deren Bedeutung sie noch gar nicht begriffen.
    In einer Entfernung von zwei Meilen folgte die Goëlette also dem neuen Ufersaume, an dem jedes Schiff unrettbar verloren gewesen wäre, das im Sturm nicht von demselben abkommen konnte.
    Die Küste des neuen Continentes bot in der That nirgends einen Hafen. Von ihrem Grunde an, den die von der offenen See hereintreibenden Wogen peitschten, erhob sie sich steil bis auf zwei-bis dreihundert Fuß Höhe. Dieser untere, wie eine Courtinenmauer glatte Theil bot auf keiner Stelle einen Vorsprung, auf dem der Fuß hätte haften können. Am oberen Kamme erschien sie wie bedeckt mit einem Walde von Spitzen, Obelisken und kleinen Pyramiden. Man hätte eine enorme Concretion vor sich zu haben geglaubt, deren Krystallisationen eine Höhe von tausend Fuß erreichten.
    Das Alles aber war noch nicht das Sonderbarste an diesen gigantischen Felsenmassen. Am meisten erstaunten die Fahrgäste der Dobryna darüber, daß dieselben überhaupt »ganz neu« waren. Die atmosphärischen Einflüsse schienen noch nirgends weder die Reinheit der scharfen Kämme, noch die glatten Linien oder die Farben der Substanz alterirt zu haben. Das Ganze hob sich gegen den Himmel mit einer überraschenden Sauberkeit der Zeichnung ab. Alle Felsblöcke, welche die Gebirgsmasse bildeten, glänzten so frisch, als seien sie eben aus den Händen des Gießers hervorgegangen. Ihr metallischer, goldig-irisirender Schein erinnerte etwa an den der Pyriten. Es entstand nun die Frage ob ein einziges, vielleicht dem von den Sonden herausgebrachten Staube ähnliches Metall diesen Gebirgswall zusammensetzte, den plutonische Kräfte aus dem Wasser emporgedrängt hatten.
    Zur Unterstützung der ersteren bot sich auch noch eine zweite Beobachtung. Gewöhnlich zeigen die Felsen, wo es auch immer sei, selbst bei entschiedenster Dürre, doch einzelne schmale Furchen, in denen das durch Condensation der Dünste entstehende Wasser je nach der Formation der Gesteine herabrinnt. Außerdem giebt es keine einzige noch so isolirte Klippe, welche nicht wenigstens einige Moose und vereinzelte magere Gebüsche trüge. Hier aber zeigte sich nicht der geringste krystallene Faden, nicht das dürftigste Grün. Kein Vogel belebte diese traurige Einöde. Nichts lebte hier, nichts bewegte sich, weder ein Wesen aus dem Pflanzen-noch aus dem Thierreiche.
    Die Besatzung der Dobryna brauchte sich also gar nicht zu wundern, daß die Albatrosse, Seemöven und Felsentauben eine Zuflucht auf der Goëlette suchten. Das Geflügel war nicht einmal durch einen Flintenschuß zu vertreiben und blieb Tag und Nacht auf den Raaen sitzen. Wurden einige Krümchen Nahrung auf das Verdeck verstreut, so stürzten die Vögel heißhungrig darüber her und verschlangen Alles mit großer Gier. Wenn man sie so verhungert sah, mußte man wohl zu der Ansicht kommen, daß hier kein Punkt der Nachbarschaft ihnen irgend welche Nahrungsmittel liefern könne, jedenfalls nicht die vorliegende Küste, da sie der Pflanzen und des Wassers ganz entbehrte.
    Solcher Art war das sonderbare Ufer, dem die Dobryna mehrere Tage lang folgte. Manchmal änderte sich sein Profil und erschien auf die Länge einiger Kilometer als ein einziger scharfer Kamm, so glatt, als sei er sein abgehobelt. Dann traten wiederum jene großen prismatischen Lamellen auf, die in unlösbarem Gewirr aufstrebten. Nirgends breitete sich aber am Fuße dieses steilen Ufers ein sandiger Strand oder ein kieselbedeckter Landstreifen aus, noch sah man eine Kette von Rissen, welche sonst so häufig in dem tiefsten Wasser verstreut sind. Kaum öffnete sich hier und da eine enge Spalte. Kein Wasserlauf war zu entdecken, an dem ein Schiff sich hätte mit neuem Vorrath versehen können – überall nur offene Rheden, die nach

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