Reise im Mondlicht
ein so abgehobener, philosophisch veranlagter Mensch
|59|
über solche Dinge Bescheid weiß, über die unermeßliche Zerbrechlichkeit der weiblichen Natur, und wie sehr gewisse körperliche
Belange sie beherrschen. Ich bitte Dich, merke Dir Erzsis Tage genau. Eine Woche vor dem Eintreten der Sache mußt Du bis zum
äußersten nachsichtig und geduldig sein. Erzsi ist in solchen Momenten nicht ganz zurechnungsfähig. Sie wird streitsüchtig.Am
besten ist es, wenn Du wirklich mit ihr streitest, das führt die Gereiztheit ab. Aber streite nicht ernstlich. Denk daran,
daß es sich nur um einen physiologischen Vorgang oder so was handelt. Laß Dich nicht hinreißen, etwas zu sagen, das Du später
bereuen würdest, und vor allem laß nicht zu, daß Erzsi Dinge sagt, die sie später bereuen würde, denn das schadet ihren Nerven.
Sei mir nicht böse. Ich müßte noch über tausend Dinge schreiben, tausend Kleinigkeiten, auf die Du achten solltest – das waren
nur die wichtigsten –, aber jetzt kommt mir nichts mehr in den Sinn, ich habe überhaupt keine Phantasie.Trotzdem, ich kann nicht leugnen, daß
ich mir große Sorgen mache, nicht nur, weil ich Erzsi kenne, sondern vor allem, weil ich Dich kenne. Versteh mich bitte nicht
falsch.Wenn ich eine Frau wäre und zwischen uns beiden wählen müßte, würde ich ohne zu zögern Dich wählen, und Erzsi liebt
Dich bestimmt, weil Du bist, wie Du bist, so unendlich distanziert und abgehoben, daß Du mit nichts und niemandem etwas gemeinsam
hast, als wärst Du ein Fremder auf Durchreise, ein Marsbewohner auf dieser Welt, daß Du Dir nie etwas genau merken kannst,
daß Du nie jemandem ernsthaft böse sein kannst, daß Du nicht hinhörst, wenn andere reden, daß Du eher nur aus gutem Willen
und Höflichkeit zuweilen so tust, als wärest auch Du ein Mensch.Wie gesagt, das alles ist sehr schön, und auch ich würde es,
wenn ich eine Frau wäre, außerordentlich schätzen, bloß beunruhigt mich, daß Du jetzt doch immerhin Erzsis Mann bist. Und
Erzsi ist gewöhnt, daß ihr Mann in allem für sie sorgt, sie vor jedem Luftzug schützt, so daß sie an gar nichts zu denken
braucht, außer an ihr Geistes- und Seelenleben und nicht zuletzt an die Körperpflege. Erzsi ist von Grund auf ein Luxusgeschöpf,
sie ist dazu erzogen worden, und ich habe das respektiert – und jetzt weiß ich nicht, ob sie an Deiner Seite nicht mit Realitäten
konfrontiert sein wird, die ihr Vater und ich sorglich vor ihr verhüllt haben.
Ich muß noch eine heikle Frage berühren. Ich weiß, daß Du, beziehungsweise Dein verehrter Herr Vater, in dessen Firma Du Dich
betätigst
|60|
, daß ihr also wohlhabende Leute seid und Deine Frau keinerlei Mangel zu leiden haben wird.Trotzdem mache ich mir manchmal
Sorgen, denn ich weiß, wie verwöhnt Erzsi ist, und ich fürchte, daß ein abgehobener Mensch wie Du Erzsis Ansprüchen nicht
genügend Rechnung trägt. Du selbst bist ja auf liebenswürdig bohèmehafte Art anspruchslos, Du hast immer recht solid gelebt,
auf einem anderen Niveau, als Erzsi gewöhnt ist. Und jetzt muß sich der eine von Euch an den Lebensstandard des andern anpassen.Wenn
sich Erzsi an den Deinen anpaßt, wird sich das früher oder später rächen, denn sie wird sich deklassiert vorkommen, sobald
sie mit ihrem alten Milieu wieder in Berührung kommt.Was weiß ich: Ihr könntet in Italien einer Freundin von ihr begegnen,
die die Nase rümpft, wenn sie hört, daß Ihr nicht in einem ganz erstklassigen Hotel wohnt. Die andere Möglichkeit ist die,
daß Du Dich an ihren Standard anpaßt; das hingegen wird früher oder später finanzielle Konsequenzen haben, denn, verzeih,
ich kenne die Belastbarkeit Eurer Firma wahrscheinlich besser als Du, der doch so abgehoben ist, und außerdem seid Ihr vier
Geschwister, und Dein verehrter Herr Vater ist ja auch ein bißchen konservativ, seine Auffassungen sind doch eher streng,
und er ist mehr der Verfechter des Beisammenhaltens als der Belebung des Vermögens … kurz und gut, Du bist nicht in der Lage, Erzsi ihren gewohnten Lebensstandard zu garantieren. Da mir außerordentlich daran
gelegen ist, daß Erzsi alles hat, was sie braucht, bitte ich Dich sehr, mir nicht übelzunehmen, wenn ich Dir sage, daß ich
im Bedarfsfall unbedingt zu Deiner Verfügung stehe, es mag auch in Form eines langfristigen Darlehens sein. Ehrlich gesagt
würde ich am liebsten eine monatliche Summe aussetzen, aber ich
Weitere Kostenlose Bücher