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Reise im Mondlicht

Titel: Reise im Mondlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antal Szerb
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Frau sogar über Distanzen hinweg besser und kenntnisreicher zu
     beschützen vermochte als er, der mit ihr hier war und sich für eine Beschützerrolle so wenig eignete, daß er auch Angelegenheiten
     wie die des Hotels Erzsi aufhalste, mit der höchst fadenscheinigen Begründung, daß sie besser Italienisch konnte.
    Vielleicht hat Pataki recht, dachte er, vielleicht bin ich wirklich ein abgehobener, introvertierter Mensch. Das ist natürlich
     eine Simplifizierung, man ist nie so eindeutig definierbar, aber wahr ist schon, daß ich in den Belangen der Welt außerordentlich
     ungeschickt und inkompetent bin, ich bin überhaupt nicht der Mann, |63| dessen ruhiger Verantwortung sich eine Frau überlassen kann. Und Erzsi ist eine Frau, die sich gern völlig auf jemanden verläßt,
     sie braucht das Gefühl, daß sie bedingungslos zu jemandem gehört: Sie ist nicht der mütterliche Typ – vielleicht hat sie deshalb
     keine Kinder   –, sondern eine von denen, die gern das Kind ihres Geliebten sind. Mein Gott, wie unglücklich wird sie früher oder später
     an meiner Seite sein, da ich, scheint mir, eher noch den General als den Vater spielen könnte; das ist ein Humanum, das mir
     gänzlich abgeht, unter anderem. Ich ertrage es nicht, wenn jemand von mir abhängt, und wenn es auch nur ein Bediensteter ist,
     deshalb habe ich ja als Junggeselle immer alles allein gemacht. Ich ertrage die Verantwortung nicht, und ich beginne regelmäßig
     alle zu hassen, die etwas von mir erwarten   …
    Das Ganze ist ein Wahnsinn, ein Wahnsinn für Erzsi, die doch mit neunundneunzig von hundert Männern besser gefahren wäre als
     mit mir, jeder durchschnittliche, normale Mensch wäre ein besserer Ehemann als ich, und das sehe ich jetzt nicht von meinem
     Standpunkt her, sondern ausschließlich von ihrem. Warum habe ich an das alles nicht gedacht, bevor ich geheiratet habe, und
     kann es sein, daß Erzsi, die doch so klug ist, sich die Sache nicht besser überlegt hat?
    Aber Erzsi hat sie sich nicht besser überlegen können, denn sie war in mich verliebt und also gar nicht klug, sondern sie
     hat meine Fehler übersehen, übersieht sie offenbar heute noch. Doch das ist bloß ein Spiel der Gefühle; Erzsi ist ganz hemmungslos,
     mit unersättlichem Appetit will sie das Liebesglück, das sie an Patakis Seite nicht gefunden hat, aber einmal wird sie sich
     satt gegessen haben, solche erotischen Leidenschaften dauern ja nie sehr lang   … Als er nach langem Umherstreifen ins Hotel zurückkehrte, war er schon überzeugt, daß ihn Erzsi eines Tages verlassen würde,
     und zwar nach gräßlichen Krisen und Qualen, nach üblen Männergeschichten, bei denen sie »ihren Namen durch den Schmutz ziehen«
     würde, wie man so sagt. Bis zu einem gewissen Grad fand er sich sogar mit dem Unvermeidlichen ab, und als sie sich zum Abendessen
     setzten, betrachtete er Erzsi ein bißchen wie ein schönes Stück Vergangenheit, und eine feierliche Rührung ergriff |64| ihn. Die Vergangenheit und die Gegenwart hatten bei Mihály schon immer auf merkwürdige Art ineinandergespielt, einander gefärbt
     und gewürzt. Er versetzte sich gern an einen Punkt seiner Vergangenheit zurück, um aus dieser Perspektive sein gegenwärtiges
     Leben neu zu gruppieren, zum Beispiel: Was hätte ich mit sechzehn zu Florenz gesagt – und dieser Rückwärtsschritt verlieh
     dem gegenwärtigen Augenblick jedesmal einen reicheren Gefühlsgehalt. Aber es ging auch umgekehrt, indem man aus der Gegenwart
     die Vergangenheit machte: Was für eine schöne Erinnerung wird es in zehn Jahren sein, daß ich einmal mit Erzsi in Florenz
     gewesen bin   … was für eine Würze wird diese Erinnerung haben, was für ein Gefühlsumfeld, wie ich es heute noch nicht einmal ahne.
    Seine feierliche Anwandlung drückte sich im Bestellen eines ungeheuer festlichen Menüs und teurer Weine aus. Erzsi kannte
     Mihály und wußte, daß das große Essen eine große Stimmung spiegelte, und sie gab sich Mühe, auf der Höhe der Situation zu
     bleiben. Sie lenkte das Gespräch geschickt, stellte ein paar Fragen zur Geschichte von Florenz, da sie wußte, daß Mihály von
     geschichtlichen Assoziationen noch stärker und feierlicher beschwingt wurde als vom Wein, ja, daß ihn das als einziges aus
     seiner Gleichgültigkeit herausriß. Und tatsächlich wartete Mihály mit begeisterten, farbigen und im einzelnen unzuverlässigen
     Erklärungen auf, dann versuchte er mit glänzenden Augen darzulegen, was

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