Reise im Mondlicht
weiß, daß das eine Unverschämtheit wäre. Doch wenigstens das
muß ich Dir klarmachen: falls irgendwo Not am Mann ist, wende Dich ruhig an mich.
Sei mir bitte nicht böse. Ich bin ein schlichter Geschäftsmann, ich habe nichts anderes zu tun, als Geld zu verdienen, und
Gott sei Dank tue ich das auch gründlich. Ich meine, es ist doch zulässig, wenn ich mein Geld dort ausgebe, wo ich Lust dazu
habe, nicht?
Also noch einmal: nichts für ungut. Laß es Dir gutgehen, es grüßt Dich herzlich und hochachtungsvoll
Zoltán
|61| Der Brief regte Mihály tödlich auf. Er war zutiefst angewidert von Patakis unmännlicher »Güte«, die gar keine Güte war, sondern
bloß Unmännlichkeit, und wenn es doch Güte war, so war sie deswegen nicht sympathischer, denn von der Güte hielt Mihály nicht
viel. Und diese Höflichkeit! Umsonst, Pataki war nach wie vor ein kleiner Kaufmann, er mochte reich sein, wie er wollte.
Doch das alles war Patakis Sache, und ebenso war es sein Problem, wenn er immer noch in Erzsi verliebt war, die sich ihm gegenüber
unsäglich verhalten hatte. Nicht das regte Mihály auf, sondern die Teile des Briefes, die sich auf ihn und Erzsi bezogen.
Zuerst einmal das Finanzielle. Mihály hatte eine grenzenlose Verehrung für die »wirtschaftlichen Notwendigkeiten«. Vielleicht
gerade weil er selbst so wenig Gefühl dafür besaß. Wenn jemand sagte: »Aus finanziellen Gründen bin ich gezwungen, so und
so zu handeln«, verstummte er gleich, und alle Gemeinheiten schienen ihm gerechtfertigt. Gerade deshalb beunruhigte ihn jener
Aspekt der Sache, der schon früher vor seinen Augen aufgetaucht war, den aber Erzsi immer scherzhaft weggewischt hatte: nämlich
daß sie finanziell gesehen ein sehr schlechtes Geschäft gemacht hatte, war sie doch zuvor die Frau eines reichen Mannes gewesen;
und jetzt hatte sie einen Mann aus dem bürgerlichen Mittelstand, wofür sie sich früher oder später rächen würde, was der besonnene
und in finanziellen Dingen so beschlagene Pataki jetzt schon voraussah.
Plötzlich fielen ihm eine Menge Dinge ein, die bisher, auch auf der Hochzeitsreise, den Unterschied in ihrer beider Lebensstandards
deutlich gemacht hatten. Da war, um gleich beim Nächstliegenden zu bleiben, das Hotel. Nachdem Mihály in Venedig und Ravenna
gesehen hatte, wieviel besser Erzsi Italienisch konnte als er und wieviel geschickter sie mit den Portiers verhandelte, vor
denen ihm sowieso graute, vertraute er ihr in Florenz die Hotelfrage und die sonstigen irdischen Belange an. Darauf nahm Erzsi
ohne Federlesens ein Zimmer in einem alten, aber sehr teuren kleinen Hotel am Arno-Ufer, mit der Begründung, daß man, wenn
man schon einmal in Florenz sei, unbedingt am Arno-Ufer wohnen müsse. Der Zimmerpreis – Mihály ahnte es dumpf, da er |62| zum Rechnen zu faul war – stand in keinem Verhältnis zu der Summe, die sie für die Italienreise veranschlagt hatten, er war
wesentlich höher als der Preis des Zimmers in Venedig, und das hatte den an Sparsamkeit gewohnten Mihály einen Augenblick
lang schmerzlich durchzuckt. Doch dann hatte er dieses kleinliche Gefühl mit Widerwillen von sich gewiesen. Schließlich sind
wir auf der Hochzeitsreise, hatte er zu sich gesagt und nicht mehr daran gedacht. Jetzt aber, nach der Lektüre von Patakis
Brief, stand auch das wieder wie ein Symptom vor seinen Augen.
Das größte Problem hingegen stellten nicht die finanziellen Angelegenheiten dar, sondern die moralischen … Nachdem Mihály ein halbes Jahr lang mit sich gerungen hatte, war er zu dem Entschluß gelangt, daß er Erzsi, mit der er schon
seit einem Jahr ein Verhältnis hatte, ihrem Mann ausspannen und heiraten würde, und dieser folgenreiche Schritt geschah, um
»alles wieder gutzumachen«. Aber nicht nur deswegen, sondern auch, um mit Hilfe des Ehestandes endgültig in die Reihen der
ernsten, erwachsenen Menschen aufgenommen und als gleichwertig betrachtet zu werden, zum Beispiel gleichwertig mit einem Zoltán
Pataki. Deshalb hatte er sich geschworen, nach allen Kräften ein guter Ehemann zu werden. Er wollte Erzsi vergessen machen,
was für einen guten Mann sie um seinetwillen verlassen hatte, und überhaupt wollte er »alles gutmachen«, bis zurück in seine
Jugendzeit. Patakis Brief hatte ihn jetzt von der Aussichtslosigkeit dieses Unternehmens überzeugt. Er würde nie ein so guter
Ehemann sein können wie Pataki, der seine untreue, abwesende
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