Reise in die arabische Haut
unser Präsident.«
»Aha. Du verlangst aber nicht, dass ich den läppischen Euro zurückhole, oder?«
»Nein, aber entferne das Schild«, bittet Khalid und pfriemelt an meinem dicken Anorak herum.
Mich trifft des Teufels Mistgabel, als ich das Peinlichste sehe, was die Welt den Urlaubern heute offenbart. Ein längliches Preisetikett baumelt sichtbar an meinem Jackenärmel herunter.
Mein Anorak outet sich als ultimatives Schnäppchen von Aldi Süd. Dreizehn Euro und neunundneunzig Cent.
Khalid sammelt unsere Gepäckstücke vom Laufband ein. Ich versuche, mir jeden Koffer einzeln einzuprägen. Nach vier Minuten erinnere ich mich daran, dass ich nicht bei Am laufenden Band sitze.
Ein älterer Tunesier mit einem Vollbart und lichten Stellen auf dem Kopf startet seinen weißen Minibus und chauffiert uns ins Hotel. Ich werfe einen Blick zurück und sehe, dass der Flughafen den Namen des früheren Präsidenten übernommen hat: Habib Bourguiba, der von 1956 bis 1987 in Tunesien amtierte.
Mein Sitzplatz neben dem Chauffeur ermöglicht es mir, Tunesien durch die breite Frontscheibe aufzusaugen.
Khalid tippt mir von hinten auf die Schulter. »Weißt du, was der Fahrer von uns denkt?«, raunt er mir ins Ohr.
»Hm? Nein!«
»Er glaubt, dass wir unverheiratet sind. Liierte Paare hocken gemeinsam auf der Rückbank.«
»Na sowas«, sage ich apathisch. Dieses Thema ist mir derzeitig pupsegal. Mich interessiert der Kontinent meiner Träume und nicht der Gedanke eines tunesischen Wagenlenkers.
Autos hupen, Mopeds missachten unsere Vorfahrt und Fußgänger huschen ab und zu quer über die Straße. Hier fehlen eindeutig die Ampeln, die für einen regulären Verkehrsfluss sorgen. »Gibt’s hier keine Ampeln?«
»Nein, die sind alle abgeschafft, weil die Tunesier nicht auf Warnlichter achten. Kreisverkehr und Tempolimitschwellen sorgen für ein geringes Unfallrisiko.«
Breite Palmen und riesige basilikumgrüne Kakteen säumen den Fahrweg. An den Kakteen hängen rotgelbgrüne Kaktusfeigen, die in Deutschland überteuert angeboten werden.
»Ich möchte jetzt am liebsten ein paar Früchte pflücken.«
Khalid schüttelt den Kopf: »Das würde ich an deiner Stelle vertagen. Das Obst hängt noch vom letzten Jahr an den stacheligen Blättern.«
Wir erreichen das Mittelmeer und gondeln eine längere Strecke unmittelbar am Ufer entlang. Das Wasser bewegt sich sanft. In der Ferne schaukeln mickrige Fischkutter auf den Wogen. Am Strand türmen sich Sonnendächer aus Palmblättern. Freizügig bekleidete Touristen flanieren gemächlich auf der Uferpromenade. Durch ihre sichtbar nackte Haut lassen sie sich hervorragend von den Tunesiern differenzieren. Seitwärts der Straße hasten tunesisch verschleierte Frauen mit langärmeligen, fast bis zu den Schuhen endenden Kleidern von einem Geschäft ins andere. Junge Mädchen tragen Jeanshosen mit grobgestrickten Jacken, die fast bis zu den Knien reichen. Warum packen sich die Einheimischen bei dieser Frühlingswärme so dick ein? Es ist halt Winter in Tunesien. Khalid erklärt mir, dass Kopftücher teils aus religiösen, teils aus traditionellen Gründen getragen werden.
Naiv bewundere ich die bezaubernden Frauen mit ihren bestickten Kopfbedeckungen. Ich beneide sie. Ab heute will ich eine von ihnen sein.
Unschuldig, gesittet, verborgen und schön.
Mittlerweile sind wir in Sousse angekommen. Hier reiht sich ein Caféhaus an das andere. Männer jeglichen Alters zocken, bechern Tee und ballern sich Shisha-Rauch in die Schleimhäute.
Mein Gehirnspeicher ist randvoll von den exotischen Eindrücken. Unser Chauffeur stoppt den Kleinbus vor einem riesengroßen Kastenbau. An dem gläsernen Portal klebt ein Konterfei von dem tunesischen Präsidenten Ben Ali. Ziemlich angsteinflößend.
Hotel der Mängel
Vor dem Eingang des Hotels Soccorisha liegt ein chilliroter Teppich, auf dem wir wie Filmstars entlang marschieren. Nach diesem Empfang bin ich mir sicher, dass unsere Flitterwochen harmonisch verlaufen werden.
In der orientalisch eingerichteten Empfangshalle checkt der Checker Khalid ein.
Da ich vom Checken für heute genug habe, setze ich mich schweißgebadet auf einen schwarz verschnörkelten Eisenstuhl und entledige mich meines Anoraks. In Gedanken versunken, bemerke ich einen phantastisch aussehenden Animateur, der mit kunstvoll frisiertem Pferdeschwanz und breitem Grinsen auf mich zusteuert. Beznesser, schätze ich voller Vorurteile. Ich lächele ängstlich zurück und bin
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