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Reise in die Unterwelt

Reise in die Unterwelt

Titel: Reise in die Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Shea
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all die Jahrhunderte hinweg ist dieser Zwang – der mir gleichzeitig meine Kraft und mein langes Leben versicherte – nicht geringer geworden. Ich muß in alle Ewigkeit den Willen Hawthils ausführen und das Laster bekämpfen, das er verabscheute.«
    »Ihr habt mir versichert, daß die Tür sich sowohl für den Gewinner als auch Verlierer öffnen würde!« rief Cugel.
    »Verzeiht. Ich hätte mich klarer ausdrücken und sagen müssen: ›Was davon übrigbleibt.‹« Der Blick des Grues konzentrierte sich nun auf Cugel, und seine Muskeln spannten sich. Er machte einen Schritt auf den Lehnsmann zu, der sich mit dem Schwert in der Hand an die Wand drückte. Eine Klingenlänge vor ihm blieb er stehen und kauerte sich zum Sprung.
    Zitternd vor Wut tastete der Than nach seinem Schwert und wurde daran erinnert, daß er völlig nackt war. Das erhöhte seinen Grimm noch. Die Hände wie Krallen ausgestreckt, näherte er sich dem erbarmungslosen Ungeheuer.
    »Ich will das Amulett überhaupt nicht!« brüllte Cugel verzweifelt. Er warf es blindlings von sich und umklammerte sein Schwert nun mit beiden Händen.
    Die breite Goldkette fiel geradewegs auf den Than herab, der ihr nicht mehr ausweichen konnte. Sie schlang sich um seinen Hals, daß der Anhänger an seinem Rücken baumelte.
    Der Grue brüllte und sprang Cugel an.
    Cugel stieß die Schwertspitze gegen des Ungeheuers Brust, aber sie drang nicht ein. Der Grue ignorierte die Waffe und streckte die Klauen nach Cugels Kopf aus. Die schwere Klinge zwischen den beiden begann sich zu verbiegen und war dem Brechen nah – da schnellte sie wieder in ihre ursprüngliche Form zurück. Cugel blinzelte ungläubig. Der Grue war durch die Luft geflogen und landete mit dem Rücken auf dem Boden an der gegenüberliegenden Wand.
    Und schon beugte sein Gegner, ein Honn, sich darüber. Mit seinem schweren Schwanz peitschte es auf das Ungeheuer ein. Cugel blinzelte erneut. Das Amulett, das er von sich geschleudert hatte, hing über dem Rücken des Honns, halb in der langen, wilden Mähne vergraben, die den Schädel, die Schultern und das Rückgrat des Tiers bedeckte. Cugel seufzte erleichtert auf und überlegte eilig. Dann wühlte er in dem dachhohen Haufen, bis er einen langschäftigen Stab mit eisernem Haken fand. Damit näherte er sich der Kampfszene und harrte seiner Chance.
    Es stellte sich bald als recht einseitiger Kampf heraus. Dem Honn fehlte die Masse und Größe des Grues, doch wie alle seiner Art, hatte es ein äußerst cholerisches Temperament, dem selbst der größte Erb sich nicht gern aussetzte. Die wilde Wut dieses besonderen Exemplars schien alles zu übertreffen. Nachdem es seinen Schwanz als Knüppel benutzt hatte, schlang das langschnauzige Tier einen Teil davon um den Kopf des Grues und schlug ihn immer wieder auf den Boden.
    Cugel bemerkte jedoch, daß das schwarze Ungeheuer im Augenblick zwar betäubt war, aber keinen dauerhaften Schaden genommen hatte. Der Zauber des verstorbenen Magiers machte es offenbar unverwundbar. Sobald die Wut des Honns verflogen war, würde der Grue wieder zu sich kommen. Die einzige Rettung lag demnach für sie in der Flucht. Er studierte sorgfältig den Körper des Ungeheuers und entdeckte etwas Glitzerndes in einer der schwarzen Pfoten. Es stellte sich als ein in das Fleisch eingesetzter silberner Knopf heraus, der sicher der Öffnungsmechanismus für die Tür zur Brücke war.
    Nun kam es nur noch auf eine peinlichst genaue Zeiteinteilung an. Das Honn zerschlug den massiven Kartentisch auf dem Gesicht des betäubten Grues, ohne das Ungeheuer auch nur zu verwunden. Den Angriff des kleineren Tieres vorschnell zu beenden, konnte genauso tödlich sein, wie zu warten, bis es sich gelangweilt abwendete.
    Das Honn hatte gerade den zweiten Stuhl auf dem Schädel des Grues zertrümmert, als Cugel mit dem Hakenstab das Amulett über den Kopf des Tiers zerrte. Das Honn drehte sich wütend um und stürzte sich über ihn, daß Cugel auf dem Boden landete. Einen kurzen Augenblick später verwandelte das Schnauzengesicht sich wieder in das des Sulls zurück. Cugel befreite sich aus der Umarmung des durch die Umwandlung bewußtlos gewordenen Thans und drückte mit dem langen Stab auf den Silberknopf in des Grues Pranke. Die Tür öffnete sich lautlos.
    Hastig suchte Cugel den Boden ab, entdeckte das Amulett und steckte es ein. Da der Than sich als wertvoller Verbündeter erwiesen hatte, sollte er mit. Eilig schnappte er sich dessen Kleidung aus dem

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