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Reise mit Hindernissen nach England und Schottland

Reise mit Hindernissen nach England und Schottland

Titel: Reise mit Hindernissen nach England und Schottland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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deren herrschaftliches Haus mit seinen korinthischen Säulen nur ein paar Schritte entfernt steht, nicht mit der Handelsbank, einem Zwitterbau, bei dem sich griechischer und römischer Stil um die Ornamentik zanken, und kurz gesagt auch nicht mit allen anderen Banken, von denen es in den englischen Städten nur so wimmelt.
    Die George Street führt vom Saint Andrew’s Square zur Saint George’s Church, parallel zur Princes Street; sie ist prachtvoll, von Versicherungs-und Bibliotheksgebäuden gesäumt, von Museen und Kirchen, die alle deutlich ihren Ehrgeiz bekunden, Denkmäler zu sein. In diesem Augenblick ließ der spitze Turm der Kirche Saint Andrew das fröhliche Läuten seines Glockenspiels erklingen. Jonathan schrieb sich die Reihe der Töne, die in absteigenden Quinten dahersprangen, in sein Notizbuch: c, f, h, e, a, d, g, c; diese Aufeinanderfolge erzielte eine ganz besondere Klangwirkung, die den Musiker aufhorchen ließ. Die Passanten machten sich bestimmt wenig Gedanken darüber; sie gingen wie sehr beschäftigte, aber ernsthafte Leute ihrer Wege. Dieser Teil der Bevölkerung stach scharf von den Menschen im Canongate-Viertel ab: Die Frauen, in Toiletten von ziemlich schlechtem Geschmack und bunt zusammengewürfelten Farben gewandet, stolzierten selbstsicher und steif mit ihren langen britischen Schritten einher; die tief angesetzte Gürtellinie ihrer Kleider verlängerte den Oberkörper auf Kosten der Taille, die abgeflacht und formlos wirkte, und auf ihren Köpfen saß der unvermeidliche breitkrempige Hut. Als Jacques eine dieser ungraziösen Frauen vorübergehen sah, sagte er zu Jonathan:
    »Ist dir nie eine sonderbare Idee gekommen, wenn du die Karte von Schottland und England betrachtet hast? Diese Karte stellt nämlich eine große Lady auf ihrem Spaziergang dar. Die Schleppe ihres Kleides mit seinen zerknitterten Volants zieht sich bis in den Atlantischen Ozean hinein, und ihre lange Taille reicht bis zu jenem Gürtel aus Grafschaften, der sie zwischen Irischer See und Nordsee umklammert. Sie neigt sich nach hinten und reckt den Kopf mit den eckigen Zügen nach oben, in den ihr der Firth of Forth einen riesigen Mund gräbt; sie trägt einen runden Hut, unter dem ihre Korkenzieherlöckchen in Gestalt von zerzausten, schwimmenden Inseln hervorlugen! Schau nur, und mit ein wenig gutem Willen wirst du zugeben, daß ich recht habe.«
    Während sie so plauderten, kamen die zwei Pariser zu einer abscheulichen Statue von George IV., und über die Hanover Street bogen sie in die Straße, die am Garten der Königin entlangführt, einer Art in die Länge gezogener Square. Alle diese Straßen sind wundervoll, in rechten Winkeln angelegt, breit und sauber, aber nahezu menschenleer; die niederen Häuser bestehen im allgemeinen aus einem Souterrain für die Küchen, einem Zwischengeschoß, einem ersten und zweiten Stockwerk; sie haben nur drei Fassadenfenster und werden von nicht mehr als einer Familie bewohnt: Man erreicht sie über eine kleine Brücke, der ein griechischer Säulengang Schutz bietet, und Jacques hatte seinen Spaß daran, von den Eingangstüren, die nur einen einzigen Flügel besitzen, den Beruf der Hausbewohner abzulesen. Die
surgeons, physicians, sollicitors
amüsierten ihn sehr; auch den Firmenschildern, die er nicht verstand, war es vergönnt, seine Heiterkeit zu erregen; ein einziges, das sich oft wiederholte, erschien ihm bedrohlich und furchteinflößend, und er war jedesmal wie vor den Kopf geschlagen, wenn er dieses beängstigende Wort las:
upholsterer!
    »Das heißt doch nur Polsterer«, erklärte ihm Jonathan.
    »Und mit welchem Recht, wenn ich bitten darf, führt ein Polsterer so einen Namen?«
Zweiundzwanzigstes Kapitel
Miss Amelias Reize
    Indem sie ihren Weg zum Water of Leith hin fortsetzten, gelangten sie schließlich unter einigen Schwierigkeiten in die hübsche Allee mit dem Namen Inverleith Row; nach einer halben Meile erreichten sie das Haus von Mister B. Ein Gitterzaun, der einen kleinen, bepflanzten Hof umschloß, stand davor. Es war eine entzückende Villa, die gepflegt und adrett aussah, mit breiten, nach Licht und Luft gierenden Fenstern. Jonathan läutete: Ein Diener öffnete die Tür, und sobald Jonathan in seinem besten Englisch nach Mister B. verlangt hatte, wurde er, in Begleitung von Jacques, über eine glänzende und mit einem schmalen Teppich belegte Treppe zum Salon in den ersten Stock geführt.
    Dort saßen zwei Frauen, mit Nadelarbeiten beschäftigt: Es waren

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