Reise mit Hindernissen nach England und Schottland
zu sein; dies liegt wohl daran, daß in Edinburgh verschwindend wenig männliche Hausangestellte beschäftigt sind, während es von Dienstmädchen und Chambermaids, die mit den alten Hüten ihrer Herrinnen auf den Köpfen herumlaufen, nur so wimmelt.
Wenn man sich Holyrood nähert, wird die Straße ein wenig breiter: Man kommt an einem Hospital und der Kirche von Conangate mit ihrem eigentümlichen Friedhof vorüber. Sie ist ein gotischer Bau, ohne jeden Stil und unscheinbar. Die Straße mündet schließlich auf einen Platz, an dessen Ende sich der Palast der einstigen Herrscher Schottlands erhebt.
In der Mitte des Platzes hatte sich ein großer Auflauf von Menschen gebildet, die alle einen erst kürzlich errichteten, reizenden Springbrunnen bewunderten; er bot dem Auge alle Pracht der gotischen Renaissance dar und folglich eine minderwertige Reinheit des Stils. Doch er wirkte so fein gemeißelt, mit so viel Geduld gearbeitet, so frisch erblüht, daß es Vergnügen bereitete, ihn zu betrachten; er schien in einer einzigen Sommernacht hier aufgeschossen zu sein wie eine tropische Blume.
Jacques und Jonathan gingen auf Holyrood zu, das von Soldaten in der alten schottischen Tracht bewacht wurde; sie trugen den Faltenrock aus grünem Stoff, das karierte Plaid und die Tasche aus dem Fell langhaariger Ziegen, die bis auf die Oberschenkel herabhängt. Da es ihnen an Zeit fehlte, beschränkten sie sich darauf, die vier dicken, zinnenbewehrten Türme an der Fassade zu bewundern, die ihr ein mittelalterliches Aussehen verleihen; mit Ausnahme der verfallenen Kapelle, die hinter dem Palast ihre gotischen Mauerbögen emporreckt, ist es unmöglich, die neuen oder auch bloß renovierten Teile zu erahnen. Trotz aller schauerlichen Begebenheiten und grausamen Verbrechen, die sich in ihrem Inneren zugetragen haben, trotz der schrecklichen Erinnerung an die Liebe zwischen Maria Stuart und dem armen Rizzio, sieht diese alte Residenz weder düster noch grausig aus: Ganz im Gegenteil, man könnte meinen ein Lustschlößchen, das dank einer Laune des Besitzers sein feudales Äußeres bewahrt hat. Man mußte schon ein thronloser König wie Charles X. sein, um die tiefe Ruhe hier nicht genießen zu können, ohne der Vergangenheit nachzutrauern und sich um die Zukunft zu sorgen.
»Holyrood! Holyrood!« rief Jacques, die wunderschönen Verse Victor Hugos zitierend. »Und nun wird der Berg erstürmt.«
»Hier scheint es mir ein wenig steil zu sein«, sagte Jonathan, »vielleicht kann uns jemand einen nicht ganz so schroffen Pfad zeigen!«
»Nie und nimmer! Wir gehen geradewegs hinauf! Vorwärts!«
Und er stürmte in den königlichen Garten, der sich auf der rechten Seite des Schlosses erstreckt. Ein Kavallerieregiment exerzierte gerade, und seine blitzenden Waffen und roten Uniformen erzielten in dieser Landschaft einen köstlichen Effekt; ein paar Bäume warfen ihre Schatten auf die Ufer eines kleinen Sees, oder vielmehr eines schlichten Teiches, der den Fuß der Hügel umspült.
Jacques erinnerte sich unwillkürlich an die Szenen aus
Waverley,
die an eben dieser Stelle spielten; hier sammelte sich das Heer von Charles Edward mit seinen wehenden Tartans, seinen wogenden Federbüschen und seinen flatternden Bannern, auf denen die Losungen der Clauronalds, Macfarlanes, Tullibardines und Gordons zu lesen standen. In der Mitte ragte die Standarte des Ritters empor, mit seiner Devise:
Tandem triumphans,
die er bald in der Schlacht von Prestonpans bestätigen sollte.
Zu ihrer rechten Hand waren in regelmäßigen Abständen laute Detonationen zu hören, die in den Berghöhlen widerhallten; eine Kompanie von Riflemen in dunklen Anzügen machte Schießübungen mit dem Präzisionsgewehr. Nach und nach überblickten die Wanderer, je weiter sie über die umliegenden Kuppen hinauskamen, all diese Einzelheiten; Jacques hatte geschworen, sich nicht eher umzudrehen, als bis er den heißersehnten Gipfel erreicht habe.
Zunächst mußte Victoria Drive überquert werden, eine wundervolle Ringstraße für jene Wagen, die Walter Scott sich mit ein paar Zeilen seines
Gefängnisses von Edinburgh
erschrieben haben will. Er zeichnet ein bezauberndes Bild von den Pfaden, die sich am unteren Teil der Salisbury-Felsen entlangschlängeln; diese Felsen bilden das Fundament von Arthur’s Seat, dem Arthursitz, so lautet der Name jenes Berges, den Jacques gerade hinaufkletterte. Er ist ungefähr tausend Fuß hoch, was Jacques einfach nicht glauben wollte, er gab
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