Reise mit Hindernissen nach England und Schottland
Mistress B. und Miss Amelia, ihre Tochter, eine überaus anmutige junge Person, deren Aufgewecktheit, Freundlichkeit und Liebreiz einen Gegensatz zur britischen Steifheit bildeten. Die beiden Pariser stellten sich selbst vor; man hatte sie bereits erwartet, und es war Miss Amelia zu verdanken, daß man sich rasch kennenlernte. Mistress B. sprach kein Französisch, aber ihre Tochter, die einige Zeit in Nantes und Paris gelebt hatte, drückte sich, ungeachtet ihres schottischen Akzentes, tadellos aus. Jacques, der hoch erfreut war, ein zusammenhängendes Gespräch führen zu können, bemühte sich eifrig um Miss Amelia.
Die Damen ließen auf einem Tablett zwei Gläser und zwei Flaschen bringen, eine mit Port, die andere mit Sherry – das ist der englische Name für Jerez; diese beiden Weine bilden offensichtlich den Grundstock eines englischen Kellers, denn sie werden überall angeboten, und man geizt nicht mit ihnen. Jacques und Jonathan nahmen diesen stärkenden Likör und einige Biskuits gerne an, dann baten sie um die Gunst, Mister B. vorgestellt zu werden.
»Mein Vater ist im Augenblick nicht hier«, antwortete Miss Amelia, »aber wenn Sie uns das Vergnügen bereiten, zum Essen zu bleiben, werden Sie ihn bestimmt treffen.«
Jacques bat, seinen Begleiter und ihn selbst zu entschuldigen, er wolle, obwohl man in Schottland war, die Gastfreundschaft nicht mißbrauchen.
»Das hat doch nichts mit mißbrauchen zu tun«, sagte die liebenswürdige Miss, »es wird ein Dinner ganz ohne Umstände sein; aber Monsieur Savournon ist doch Musiker, und ich bin verrückt nach Musik; wir könnten also den Abend zwischen meiner Orgel und meinem Klavier verbringen.«
»Nun gut, Mademoiselle, morgen ist Sonntag, wenn es Mister und Mistress B. genehm ist …«
»Oh!« meinte Miss Amelia. »Oh! Das ist unmöglich. Morgen speisen Sie mit uns, das versteht sich von selbst, aber am Sonntag können wir keine Musik machen; es widerspricht unseren Gewohnheiten, für Katholiken und Protestanten ist das eine Regel, die keine Ausnahme duldet.«
Jacques und Jonathan akzeptierten diese doppelte Einladung, die mit so viel liebenswerter Hartnäckigkeit gemacht worden war.
»Nun«, fuhr Miss Amelia fort, »werde ich meinen Hut und meinen Schal holen und Ihnen, bis Zeit zum Abendessen ist, die Sehenswürdigkeiten der Umgebung zeigen.«
Und von ihrer Mutter gefolgt verließ Amelia den Salon.
»Das ist wirklich eine reizende Schottin«, sagten die beiden Freunde einmütig.
Der Salon war ein geräumiges Zimmer, kühl und hell, nach allen Anforderungen der englischen Behaglichkeit eingerichtet. Die großen Fenster öffneten sich, wie überall in England, von oben nach unten mittels einer Feder und eines Gegengewichts; sie erinnern an die früheren Schiebefenster, sind aber außergewöhnlich leicht, und die von einem dünnen Eisengestell umrahmten Glasscheiben lassen das Tageslicht strahlend einfallen. Diese Vorrichtung kommt ohne Fensterflügel aus und erlaubt deshalb, im Inneren Jalousien aus dünnen, gepreßten Lamellen anzubringen. Der Kamin aus schwarzem Marmor war hoch, breit und fast ohne Vorsprung, mit einer Feuerstelle, die für das Verbrennen von Kohle geeignet war; eine kleine und einfache Wanduhr stand zwischen zwei bronzenen Kandelabern. Diese waren auf dem Kaminsims befestigt und bekamen über eine verborgene Leitung das Gas zugeführt, das sie für die Speisung ihres dreiköpfigen Brenners benötigten. Auf diese Weise wird das Gas in alle Ecken des Salons und bis zum Deckenlüster verteilt. Diese Art der Beleuchtung ist hell und praktisch zugleich. Die Polsterstühle in verschiedenen Formen und Stoffen stellten ihren müden Benutzern die vorteilhaftesten Rundungen zur Verfügung. Hier war keine der französischen Moden oder Gewohnheiten zu finden, weniger Luxus, dafür aber viel mehr Gemütlichkeit; ein Broadwood-Flügel und eine klangvolle Orgel ergänzten diese Einrichtungsgegenstände, die ein ganz besonderes Stilempfinden und Harmonie zum Ausdruck brachten.
Wie so oft in Schottland spalteten Katholizismus und Protestantismus auch die Überzeugungen dieser gastfreundlichen Familie: Mister B. war ein strenggläubiger Protestant, während seine Frau und seine Tochter nach der katholischen Religion lebten; aber durch ihre Toleranz, ihre Geselligkeit, ihre Poesie milderte diese mit ihrem Zauber die Nüchternheit des Protestantismus. Die schottischen Kalvinisten haben, mit der Stimme von John Knox, diese Strenge in der Erfüllung
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