Reise mit Hindernissen nach England und Schottland
nicht, daß wir im Land Mac Gregors sind!«
Anfangs ist der Loch Lomond von einer großen Anzahl reizender kleiner Inseln in allen möglichen Formen und von unterschiedlichster Beschaffenheit geprägt; die
Prinz Albert
fuhr an den schroffen Ufern entlang, und auf ihrem sich dahinschlängelnden Weg brachte sie den Augen tausend verschiedene Landschaften nahe, mal eine fruchtbare Ebene, dann wieder eine unwirtliche Schlucht, gespickt mit jahrhundertealtem Felsgestein. Jedes dieser kleinen Eilande hat seine historische Legende, und die Geschichte dieses Landstrichs ist wahrhaftig mit Riesenbuchstaben aus Inseln und Bergen geschrieben. Der See dürfte an dieser Stelle vier bis fünf Meilen breit sein. Diese Anordnung erinnerte Jacques an die tausend Inseln des Ontariosees, die vom Rivalen Walter Scotts so vortrefflich beschrieben worden sind. Die Natur schien all ihren Einfallsreichtum ausgeschöpft zu haben, um ihr Aussehen so mannigfaltig wie nur möglich zu gestalten: Eine verwilderte, felsige Insel, ohne jede erkennbare Vegetation, reckte ihre scharfen Spitzen ganz in der Nähe der grünen und rundlichen Kuppe einer zweiten empor; die Lärchen und Birken der einen protestierten durch ihr sattgrünes Geäst gegen das gelbe und vertrocknete Heidekraut einer anderen, und dennoch umspülte das Wasser des Sees sie alle mit seiner stillen Gleichmäßigkeit. Unweit von Balmaha, das den Beginn der Highlands anzeigt, erblickte Jacques mehrere verstreut daliegende Gräber, sie gehörten der alten Familie der Mac Gregors.
Die Ufer des immer noch breiten Sees strebten indessen mehr und mehr aufeinander zu, je näher sie dem kleinen Hafen Luss kamen. Trotz des recht heftigen Regens verharrten die beiden Freunde unverzagt an Deck und ließen sich kein Detail dieses abwechslungsreichen Schauspiels entgehen. Jacques spähte im Nebel nach dem Gipfel des Ben Lomond; er fühlte sich ganz und gar von einer starken und ungezähmten Poesie erfüllt und fand zwischen diesen steilen Ufern, auf diesen schwarzen und friedlichen Wassern den Eindruck seiner Lieblingslektüren wieder; die sagenumwobenen Helden Schottlands bevölkerten in seiner Erinnerung dieses herrliche Fleckchen Erde der Highlands wieder.
Nachdem die
Prinz Albert
das Dorf Luss verlassen hatte, fuhr sie direkt auf den Ben Lomond zu, der am gegenüberliegenden Ufer emporragte. Endlich konnte Jacques den Berg sehen, dessen Fuß in die Wasser des Loch Lomond getaucht war und dessen Kopf in den Wolken verschwand. Es fiel ihm zunächst schwer einzuräumen, daß er über tausend Meter hoch war, er hatte sich von dieser Höhe eine andere Wirkung erwartet und war noch nicht an diesen wuchtigen Anblick gewöhnt. Doch bald schon löste sich das Haupt des Ben Lomond aus der Wolke und zeigte sich in seiner ganzen Pracht.
»Ach, wie herrlich!« rief Jacques und griff nach der Hand seines Freundes. »Was für eine barbarische Größe! Schau dir nur diesen gewaltigen Sockel an! Von diesem Gipfel muß man den ganzen südlichen Teil Schottlands mit einem Blick umfassen können!«
»Es ist ärgerlich, daß wir nicht genug Zeit haben«, antwortete Jonathan, »wir werden es immer bereuen, nicht auf den Ben Lomond gestiegen zu sein!«
»Wenn man bedenkt«, fügte Jacques hinzu, »daß dieser ganze Berg dem Herzog von Montrose gehört! Ihro Gnaden haben wirklich Glück, sie besitzen einen Berg geradeso, wie ein Pariser Bourgeois ein Stückchen Rasen in seinem Garten besitzt. Aber schau nur, Jonathan, schau!«
Die
Prinz Albert
näherte sich dem Ben Lomond, und der See wurde immer schmaler; der Ben ist die letzte Spitze der Gebirgskette Grampian Mountains, in die sich lange, abgelegene Glens hineinziehen: Wörter wie
ben, glen
und
den
sind keltischer Herkunft. Der Clan von Mac Gregor hatte sich in den
clachans
am Ostufer des Sees niedergelassen, unmittelbar am Fuß des Berges, auf den in klaren Nächten der Mond, Macfarlanes Laterne genannt, seine blassen Strahlen warf. Die Orte hier haben die Erzählungen dieser Helden mit angehört, ganz in der Nähe hat der Streit zwischen Jakobiten und Hannoveranern diese öden Schluchten mit Blut besudelt, und die unzähmbaren Echos rufen noch immer den Namen Rob Roys: Mac Gregor Campbell!
Die
Prinz Albert
erreichte das Dorf Tarbet am gegenüberliegenden Ufer, wo das Schiff die Passagiere absetzte, die nach Inverary wollten; und hier zeigte sich der Ben Lomond in seiner ganzen Schönheit, von seinem tiefgrünen Fuß bis zu seinem ausgezehrten Gipfel.
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