Reise nach dem Mittelpunkt der Erde
also nach isländischen Begriffen vorzüglicher war als frische Butter. Dazu gab es »Skyr«, eine Art geronnener Milch, mit Zwieback und einer Brühe von Wachholderbeeren; endlich ein Trank, Molken mit Wasser gemischt, der »Blanda« genannt wird. Ob diese seltsame Nahrung gut war, oder nicht, kann ich nicht beurtheilen. Es hungerte mich, und zum Dessert verschlang ich einen dicken Haidekornbrei bis auf den letzten Mund voll.
Nach beendigter Mahlzeit verliefen sich die Kinder wieder; die erwachsenen Personen umgaben die Feuerstelle, wo sie Torf, Reiser, Kuhmist und Gräten getrockneter Fische brannten. Darauf, nachdem sie dergestalt sich gewärmt, begaben sich die einzelnen Gruppen wieder in ihre Gemächer. Die Wirthin erbot sich, der Gewohnheit gemäß, uns Strümpfe und Beinkleider auszuziehen; aber nach unserer höflichen Ablehnung bestand sie nicht darauf, und ich kam endlich dazu, mich auf mein Streulager zu kauern.
Der Fjord von Stapi. (S. 84.)
Am folgenden Morgen um fünf Uhr verabschiedeten wir uns von dem isländischen Bauer; mit Mühe konnte mein Oheim ihn bewegen, eine angemessene Vergütung anzunehmen, und Hans gab das Zeichen zur Abreise.
Qualmende Dämpfe drangen aus dem Boden empor. (S. 87.)
In einer Entfernung von hundert Schritten bekam die Gegend ein anderes Aussehen; der Boden wurde sumpfig und für die Reise weniger geeignet. Rechts zog sich die Gebirgsreihe unendlich hin, wie ein System natürlicher Festungswerke; oft stieß man auf Bäche, die man nothwendig durchwaten mußte, ohne daß jedoch das Gepäck allzu naß wurde.
Die Oede der Gegend nahm zu; mitunter jedoch schien eine menschliche Gestalt in der Ferne zu fliehen. Da wir auf einem Umwege unversehens einem dieser Gespenster nahe kamen, wandelte mich unwillkürlich ein Ekel an beim Anblick eines geschwollenen Kopfes ohne Haare mit glänzender Haut, und ekelhaften Wunden, die zwischen elenden Lumpen durch zu erkennen waren.
Das unglückselige Geschöpf reichte nicht seine Hand zum Gruß entgegen; vielmehr floh es so rasch, daß ihm Hans nicht sein »
saellvertu
« zurufen konnte.
»
Spetelsk
, sagte er.
– Ein Aussätziger!« verdeutschte mein Oheim.
Und dies einzige Wort wirkte so abstoßend. Diese erschreckliche Krankheit ist in Island gewöhnlich; sie ist nicht ansteckend, sondern angeerbt. Darum ist auch solchen Unglücklichen das Heiraten untersagt.
Diese Erscheinungen waren nicht geeignet, die traurige Landschaft heiterer zu machen. Die letzten Kräuter erstarben unter unseren Füßen; kein Baum, außer einigem Gestrüpp von Zwergbirken. Nicht ein Thier, außer etlichen Pferden, die, weil ihr Herr sie nicht füttern konnte, über die düsteren Ebenen schweiften. Bisweilen sah man einen Falken im grauen Gewölk schweifen und pfeilschnell nach dem Süden fliehen. Ich gab mich der Melancholie dieser wilden Natur hin, und meine Erinnerungen zogen mich heim in mein Geburtsland.
Bald mußten wir wieder einige unbedeutende Fjorde durchwaten, und endlich einen Golf; da das Meer dort eben im Stillstand war, konnten wir ohne zu warten hinüber kommen, und gelangten zu dem eine Meile weiter gelegenen Weiler Alstanes.
Nachdem wir einige an Austern und Hechten reiche Flüßchen, Alfa und Heta, durchwatet, mußten wir die Nacht in einem verlassenen Gemäuer hinbringen, das von allen Kobolden der skandinavischen Mythologie besucht zu werden verdiente: der Plagegeist der Kälte war dort sicherlich zu Hause, um uns die ganze Nacht zu quälen.
Den folgenden Tag begegnete uns nichts Besonderes. Stets derselbe Sumpfboden, dieselbe Einförmigkeit, dasselbe traurige Aussehen. Am Abend hatten wir die Hälfte des Weges zurückgelegt, und übernachteten in der Annexia Krösolbt.
Am 19. Juni hatten wir etwa eine Meile weit Lavagrund unter den Füßen; solcher heißt in der Sprache des Landes »Hraun«; die runzelige Lava zeigte an der Oberfläche die Gestalt von Ankertauen, die bald zusammen gerollt, theils auseinander gezogen schienen; ein ungeheurer Strom war den nahen Bergen herabgeströmt, nunmehr erloschenen Vulkanen, deren Trümmerreste von den früheren heftigen Ausbrüchen Zeugniß geben. Doch drang hier und da einiger Qualm heißer Quellen hervor.
Diese Erscheinungen zu beobachten mangelte uns die Zeit. Bald zeigte sich wieder unter den Füßen unserer Thiere der Sumpfboden, der von kleinen Seen unterbrochen war. Die Richtung unseres Weges war damals westlich; wir hatten in der That die große Bai Faxa umgangen,
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