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Reise nach dem Mittelpunkt der Erde

Reise nach dem Mittelpunkt der Erde

Titel: Reise nach dem Mittelpunkt der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Bergbewohner.
    Sah ich die Höhe des Gipfels an, so schien es mir unmöglich, von dieser Seite her hinauf zu kommen. Zum Glück gelangten wir nach einer Stunde voll Strapazen, mitten in der Schneedecke auf der Höhe des Vulkans unversehens zu einer Art Treppe, die unser Steigen sehr erleichterte. Sie war aus Steinen, die bei dem Ausbruch massenweise ausgeschleudert wurden, gebildet. Wären dieselben nicht beim Herabstürzen von der Bergwand aufgehalten worden, so wären sie in’s Meer hinabgerollt, und hätten da neue Inseln gebildet.
    So wie sie nun gefallen, waren sie uns sehr förderlich. Bei der zunehmenden Steilheit des Bergabhangs machten uns die Stufen dieser Steine das Hinaufsteigen leicht, und es ging dabei so rasch, daß ich, als ich eine kleine Weile hinter meinen Genossen flehen blieb, sie schon durch die Entfernung merklich verkleinert sah.
    Um sieben Uhr Abends hatten wir die zweitausend Treppenstufen erstiegen, und wir befanden uns oben auf einer Anschwellung des Berges, einer Art Unterlage, worauf der eigentliche Kegel des Kraters sich stützte.
    Das Meer war hier dreitausendzweihundert Fuß tief. Wir hatten die Grenze des ewigen Schnee’s überschritten, welche in Island in Folge des beständig feuchten Klima’s nicht sehr hoch ist. Es war grimmig kalt, und es wehte ein starker Wind. Ich war erschöpft. Der Professor sah wohl, daß meine Beine mir den Dienst versagten, und entschloß sich, trotz seiner Ungeduld, einen Halt zu machen. Er gab dem Jäger ein Zeichen; der schüttelte aber den Kopf und sagte:
    »Osvansor.«
    »Es scheint, sagte mein Oheim, wir müssen noch höher steigen.«
    Darauf fragte er Hans um den Grund.
    »Mistour«, war die Antwort.
    – Ja, mistour, wiederholte einer der Isländer mit etwas erschrockenem Ton.
    – Was bedeutet dieser Ausdruck? fragte ich unruhig.
    »Sieh nur«, sagte mein Oheim.
    Ich richtete meine Blicke nach der Ebene. Eine ungeheure Säule von gepulvertem Bimsstein, Sand und Staub erhob sich im Wirbel gleich einer Wetterhose; der Wind schlug sie nieder auf die Seite des Snäfields, wo wir uns befanden; dieser dunkle, vor die Sonne gespannte Vorhang verursachte einen tiefen Schatten, der über’m Gebirg lagerte. Wenn diese Tromke herabkam, mußte sie uns nothwendig in ihren Wirbel hineinziehen. Diese Naturerscheinung, die, wenn der Wind von den Gletschern herweht, ziemlich häufig vorkommt, heißt im Isländischen »Mistour«.
    »Hastigt, hastigt«, rief unser Führer.
    Ohne dänisch zu verstehen, leuchtete mir ein, daß wir Hans so schnell wie möglich nachfolgen sollten. Dieser fing an, um den Kegel des Kraters herum zu gehen, aber in schräger Richtung. Bald senkte sich die Hofe nieder auf den Berg, welcher erzitterte; die vom Wirbelwind mit fortgerafften Steine flogen, wie beim Ausbruch eines Vulkans, gleich Regen und Hagel. Wir befanden uns glücklicher Weise auf der entgegengesetzten Seite, und waren dadurch gegen die Gefahr gedeckt. Ohne die Vorsicht unseres Führers wären unsere Körper zersetzt, in Staub zermalmt in der Ferne niedergefallen, wie das Product eines Meteors.
    Doch hielt Hans nicht für gerathen, die Nacht auf der Außenseite des Kegels zuzubringen. Wir setzten unser Aufsteigen im Zickzack fort; die fünfzehnhundert Fuß, welche noch zu erklimmen waren, nahmen noch fast fünf Stunden in Anspruch; die Umwege und schrägen Wege betrugen mindestens drei Lieues. Ich konnte nicht weiter; ich erlag der Kälte und dem Hunger. Die etwas dünne Luft reichte nicht mehr aus für das Spiel meiner Lungen.
    Endlich, um elf Uhr Abends, erreichten wir im dichten Dunkel den Gipfel des Snäfields. Bevor ich noch zu meinem Schutz mich in den Krater hinein begab, hatte ich noch Zeit, die »Mitternachtssonne« an der niedrigsten Stelle ihres Umlaufs zu sehen, wo sie ihre bleichen Strahlen auf die zu meinen Füßen schlummernde Insel hinwarf.
Sechzehntes Capitel.
In dem Krater.
    Das Abendessen wurde rasch verzehrt, und die kleine Truppe bettete sich so qut wie möglich. Das Lager war hart, das Obdach wenig solid, die Lage sehr peinlich, fünftausend Fuß über dem Meeresspiegel. Doch war mein Schlaf während dieser Nacht besonders ruhig, so gut, wie seither lange nicht. Ich träumte nicht einmal.
    Den andern Morgen wachte man halb erfroren bei lebhafter Kälte im schönen Sonnenschein auf. Ich verließ mein Granitlager, um das prachtvolle Schauspiel vor meinen Augen zu genießen.
    Ich befand mich auf dem Gipfel der südlichen Spitze des Snäfields, und

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