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Reise nach dem Mittelpunkt der Erde

Reise nach dem Mittelpunkt der Erde

Titel: Reise nach dem Mittelpunkt der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Gesträuche der Erdoberfläche in außerordentlichen Dimensionen, hundert Fuß hohe Lycopodien riesenhafte Sigillarien, Farrenkräuter so hoch wie breitastige Tannenbäume, Lepidodendreen mit runden gabelförmigen Stämmen, die in lange Blätter endigten und mit rauhen Haaren besetzt waren.
    »Zum Staunen, prachtvoll! rief mein Oheim. Da ist ja die ganze Flora der zweiten Epoche der Welt, der Uebergangsepoche. Da sehen wir unsere niedrigen Gartengewächse in den ersten Jahrhunderten als Bäume! Schau doch, Axel, bewundere! Eine festliche Freude für einen Botaniker!
    – Sie haben Recht, lieber Oheim. Die Vorsehung scheint in diesem ungeheuren Gewächshaus die vorsündfluthigen Pflanzen aufbewahrt zu haben, welche der Scharfsinn der Gelehrten so glücklich wieder aufgefunden hat.
    – Du sagst ganz richtig, es sei ein Gewächshaus; besser noch würdest Du’s vielleicht eine Menagerie nennen.
    – Eine Menagerie!
    – Ja, ohne Zweifel. Sieh nur diesen Staub unter unseren Füßen, diese auf dem Boden zerstreuten Gebeine.
    – Gebeine! rief ich aus. Ja, Gebeine vorsündsluthiger Thiere!«
    Ich stürzte über diese Jahrhunderte alten Trümmer von einer unzerstörbaren Mineralsubstanz her, und wußte ohne Besinnen diese riesenhaften Knochen, welche wie ausgetrocknete Baumstämme aussahen, zu benennen.
    »Hier ist der Unterkiefer des Mastodon, sagte ich; hier die Backenzähne des Dinotherium; dieser Hüftknochen kann nur dem allergrößten dieser Gattung, dem Megatherium, angehört haben. Ja, es ist wohl eine Menagerie, denn diese Gebeine sind gewiß nicht durch eine Ueberschwemmung hieher verpflanzt worden. Die Thiere, von welchen sie herrühren, haben an den Ufern dieses unterirdischen Meeres, unter dem Schatten dieser Riesenpflanzen gelebt. Sieh, da sind ja ganze Skelette. Und dennoch.
    – Dennoch? sagte mein Oheim.
    – Ich begreife nicht das Vorkommen solcher Vierfüßler in dieser Granithöhle.
    – Weshalb?
    – Weil das thierische Leben auf der Erde erst in den secundären Perioden existirt hat, als sich durch Anschwemmungen aus dem Niederschlag das Erdreich gebildet und an die Stelle der Felsen der Urperiode getreten war.
    – Ah nun, Axel, auf Deinen Einwand giebt’s eine sehr einfache Antwort, nämlich, daß dieses Terrain ein durch Niederschlag gebildetes ist.
    – Wie? in einer solchen Tiefe unter der Erdoberfläche!
    – Ja wohl, und diese Thatsache läßt sich geologisch erklären. Zu einer gewissen Zeit bestand die Erde nur aus einer elastischen Rinde, welche kraft der Gesetze der Anziehung abwechselnden Bewegungen nach oben und unten unterworfen war. Es ist wahrscheinlich, daß Einsenkungen des Bodens stattfanden, und daß ein Theil des sedimentären Terrains auf den Grund eines plötzlich geöffneten Abgrundes hinabgezogen wurde.
    – Das muß wohl der Fall sein. Aber wenn vorsündsluthige Thiere in diesen unterirdischen Regionen gelebt haben, wer sagt uns, daß nicht eins von diesen Ungeheuern noch jetzt in dieser dunkeln Waldung oder hinter diesen steilen Felsen umherstreift?«
    Bei diesem Gedanken fragte ich, nicht ohne Schrecken, den Horizont in verschiedenen Richtungen; aber es zeigte sich kein lebendes Wesen an diesen öden Gestaden.
    Ich war ein wenig müde und setzte mich am Ende eines Vorgebirgs nieder, an dessen Fuß sich die Wellen rauschend brachen. Von da aus umfaßte mein Blick die ganze durch eine Ausbiegung der Küste gebildete Bai. Im Hintergrunde fand sich ein kleiner Hafen zwischen den pyramidalen Felsen. Seine Gewässer schlummerten ruhig im Schutze vor’m Wind. Eine Brigg und zwei bis drei Goeletten hätten daselbst bequem ankern können. Ich war fast darauf gefaßt, ein Fahrzeug mit vollen Segeln herauskommen zu sehen, um unter’m Südwind das Weite zu suchen.
    Aber diese Täuschung verschwand rasch. Wir waren wohl die einzigen lebenden Geschöpfe dieser unterirdischen Welt. Wenn es mitunter windstille war, kam eine tiefere Stille, als die der Wüste über die trockenen Felsen und lastete auf der Oberfläche des Meeres. Ich suchte dann den Nebel der Ferne zu durchdringen, diesen vor den geheimnißvollen Hintergrund des Horizonts gezogenen Vorhang zu zerreißen. Wie drängten da sich die Fragen auf meinen Lippen? Wo endigte das Meer? Wohin führte es? Würden wir je die jenseitigen Ufer desselben zu erkennen im Stande sein?
    Mein Oheim zweifelte seinerseits nicht daran. Ich wünschte und fürchtete es zugleich.
    Nachdem wir eine Stunde in Betrachtung dieses merkwürdigen Anblicks

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