Reise nach Ixtlan.
Ende. Sie wird nie ein Ende haben. Genaro ist immer noch unterwegs nach Ixtlan!«
Don Genaro musterte mich mit durchdringendem Blick, dann wandte er den Kopf ab und blickte in die Ferne, nach Süden. »Ich werde Ixtlan nie erreichen«, sagte er. Seine Stimme war fest, aber leise, beinah ein Murmeln. »Aber in meinen Gefühlen. in meinen Gefühlen glaube ich manchmal, ich bin nur einen Schritt weit davon entfernt. Trotzdem werde ich es nie erreichen. Ich finde auf meiner Reise nicht einmal die vertrauten Wegmarken, die ich früher einmal kannte. Nichts ist mehr, wie es einmal war.«
Don Juan und Don Genaro sahen einander an. In ihren Augen lag Trauer.
»Auf meiner Reise nach Ixtlan begegnete ich nur Phantom-Reisenden«, sagte er leise. Ich sah Don Juan an. Ich hatte nicht verstanden, was Don Genaro meinte.
»Jeder, den Genaro auf seinem Weg nach Ixtlan trifft, ist nur ein ephemeres Wesen«, erklärte Don Juan. »Du zum Beispiel, du bist ein Phantom. Deine Gefühle und dein Eifer gleichen denen jener Leute. Das ist der Grund, warum er sagt, daß er auf seiner Reise nur Phantom-Reisenden begegnet.«
Plötzlich erkannte ich, daß Don Genaros Reise eine Metapher war.
»Deine Reise nach Ixtlan ist also nicht real?« fragte ich. »Die ist real«, warf Don Genaro ein. »Die Reisenden sind nicht real.«
Er wies mit dem Kopf auf Don Juan und sagte mit Nachdruck: »Dieser da ist der einzige, der real ist. Die Welt ist nur real, wenn ich mit ihm zusammen bin.« Don Juan lächelte.
»Genaro hat dir seine Geschichte erzählt«, sagte Don Juan, »weil du gestern die Welt angehalten hast, und er glaubt, daß du auch gesehen hast, aber du bist so ein Narr, daß du es selbst nicht weißt. Ich sage ihm dauernd, daß du ein komischer Kerl bist, und daß du früher oder später sehen wirst. Auf jeden Fall wirst du das nächste Mal, wenn du dem Verbündeten begegnest, falls es ein nächstes Mal für dich gibt, mit ihm ringen und ihn zähmen müssen. Wenn du den Schock überlebst, und dessen bin ich sicher, denn du bist stark und lebst wie ein Krieger, dann wirst du dich in einem unbekannten Lande lebend wiederfinden. Als erstes wirst du dich dann, wie es bei uns allen ganz natürlich ist, auf den Weg zurück nach Los Angeles machen wollen. Aber es gibt keinen Weg zurück nach Los Angeles. Was du zurückgelassen hast, ist für immer verloren. Dann wirst du natürlich ein Zauberer sein, aber das hilft dir nichts; in einer Zeit wie dieser kommt es für uns alle einzig darauf an, daß alles, was wir lieben oder hassen oder wünschen, hinter uns liegt. Doch die Gefühle im Menschen sterben oder verändern sich nicht, und der Zauberer macht sich auf den Weg zurück nach Hause und weiß, daß er nie ankommen wird, weiß, daß keine Macht der Welt, nicht einmal sein Tod, ihn an den Ort, zu den Dingen, zu den Menschen zurückbringen wird, die er liebte. Das ist es, was Genaro dir erzählte.« Don Juans Erklärung wirkte auf mich wie ein Katalysator. Don Genaros Geschichte traf mich mit ihrem vollen Gewicht, als ich anfing, seine Erzählung mit meinem eigenen Leben in Verbindung zu bringen.
»Und was ist mit den Menschen, die ich liebe?« fragte ich Don Juan. »Was geschieht mit ihnen?«
»Sie alle werden zurückbleiben«, sagte er. »Aber gibt es keinen Weg, um sie wiederzufinden? Könnte ich sie zurückholen und mit mir nehmen?«
»Nein. Dein Verbündeter wird dich, allein, in unbekannte Welten wirbeln.«
»Aber ich könnte doch nach Los Angeles zurückkehren, nicht wahr? Ich könnte den Bus oder ein Flugzeug nehmen, und hinfahren? Los Angeles wäre doch noch da, nicht wahr?«
»Gewiß«, sagte Don Juan lachend. »Desgleichen Manteca und Temecula und Tucson.«
»Und Tecate«, fügte Don Genaro völlig ernst hinzu. »Und Piedras Negras und Tranquitas«, sagte Don Juan lächelnd. Don Genaro nannte noch weitere Namen, Don Juan ebenfalls; sie zählten geflissentlich eine Reihe höchst alberner, unwirklicher Städtenamen auf.
»Das Kreiseln mit deinem Verbündeten wird deine Vorstellung von der Welt verändern«, sagte Don Juan. »Diese Vorstellung ist alles; und wenn die sich verändert, dann verändert sich die Welt selbst.«
Er erinnerte mich daran, daß ich ihm einmal ein Gedicht vorgelesen hatte und bat mich, es zu rezitieren. Er gab mir ein paar Stichworte und dann erinnerte ich mich, daß ich ihm einige Gedichte von Juan Ramon Jimenez vorgelesen hatte. Das eine, an das er gerade dachte, hieß »El Viaje Definitive« (Die
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