Reise nach Ixtlan.
bei der Mutter verbracht hatte, lebte damals bei meinem Freund, und nun erhob sich die Frage, was künftig mit ihm geschehen sollte. Wie mein Freund meinte, war das Kind in der Schule ein Versager; es fehlte ihm an Konzentration, und es interessierte sich für gar nichts. Es neigte zu Wutanfällen, zerstörerischem Verhalten und lief oft von zu Hause fort.
»Sicher hat dein Freund ein Problem«, sagte Don Juan lachend. Ich wollte fortfahren, ihm all die »fürchterlichen« Sachen zu erzählen, die das Kind angestellt hatte, aber er unterbrach mich. »Du brauchst mir nicht noch mehr über diesen armen Jungen zu sagen«, meinte er. »Es ist unnötig, daß wir, du oder ich, seine Taten irgendwie beurteilen.«
Dies brachte er unvermittelt und mit Entschiedenheit vor, aber dann lächelte er... »Was soll mein Freund denn tun?« fragte ich. »Das Schlimmste, was er tun kann, ist, das Kind zu zwingen, mit ihm überein zustimmen«, sagte Don Juan. »Was meinst du damit?«
»Ich meine, daß das Kind nicht von seinem Vater geschlagen oder erschreckt werden sollte, wenn es sich nicht so verhält, wie er will.«
»Wie kann er ihm etwas beibringen, wenn er nicht streng mit ihm ist?«
»Dein Freund sollte jemand anderen das Kind verhauen lassen.«
»Er kann nicht zulassen, daß jemand anderes seinen Jungen anrührt«, sagte ich, von diesem Vorschlag überrascht. Don Juan fand meine Reaktion anscheinend spaßig und kicherte. »Dein Freund ist kein Krieger«, sagte er. »Wäre er einer, dann wüßte er, das Schlimmste, was man tun kann, ist, einen Menschen direkt zu zwingen.«
»Aber was tut ein Krieger, Don Juan?«
»Ein Krieger geht strategisch vor.«
»Ich verstehe immer noch nicht, was du meinst.«
»Ich meine, daß dein Freund, wenn er ein Krieger wäre, seinem Kind helfen würde, die Welt anzuhalten.«
»Wie sollte mein Freund dies tun?«
»Er bräuchte persönliche Kraft. Er müßte ein Zauberer sein.«
»Aber das ist er nicht.«
»In diesem Fall muß er sich gewöhnlicher Mittel bedienen, um seinem Sohn zu helfen, seine Vorstellung von der Welt zu verändern. Dies ist zwar nicht die Welt anhalten, aber es wirkt geradeso.« Ich bat ihn, das Gesagte zu erklären. »Wenn ich dein Freund wäre«, sagte Don Juan, »würde ich jemanden anheuern, der den kleinen Kerl verhaut. Ich würde dafür jemanden aus der Gosse auflesen, der so schlimm wie irgend möglich aussieht.«
»Um einen kleinen Jungen zu erschrecken?«
»Nicht nur um einen kleinen Jungen zu erschrecken, du Narr.« Der kleine Kerl muß angehalten werden, und dies würde nicht erreicht, wenn sein Vater ihn schlägt.
Wenn man seine Mitmenschen anhalten will, dann muß man sich immer außerhalb des Kreises befinden, der sie bedrückt. »Auf diese Weise kann man den Druck immer dirigieren.« Die Vorstellung war grotesk, aber irgendwie sprach sie mich an. Don Juan stützte das Kinn in die linke Hand. Den linken Arm stützte er auf einer Holzkiste, die als flacher Tisch diente, gegen seine Brust. Seine Augen waren geschlossen, aber die Augäpfel bewegten sich. Ich hatte den Eindruck, als blickte er mich durch die geschlossenen Augenlider an. Der Gedanke beängstigte mich.
»Erzähl' mir mehr darüber, was mein Freund mit seinem Jungen tun sollte«, sagte ich.
»Sag ihm, er soll sich aus der Gosse sehr sorgfältig einen scheußlich aussehenden kaputten Typ auswählen«, fuhr er fort. »Sag ihm, er soll sich einen jungen besorgen. Einen, der noch einige Kraft besitzt.«
Dann entwarf Don Juan eine seltsame Strategie. Ich sollte meinem Freund auftragen, diesen Mann zu veranlassen, ihm nachzugehen oder an einer Stelle auf ihn zu warten, wo er mit seinem Sohn vorübergehen würde. Auf ein verabredetes Zeichen hin, das jedesmal gegeben werden sollte, wenn das Verhalten des Jungen zu beanstanden war, sollte der Mann aus einem Versteck hervorspringen, das Kind packen und es aus Leibeskräften versohlen. »Nachdem der Mann den kleinen Jungen erschreckt hat, muß dein Freund ihm auf jede Weise helfen, sein Vertrauen wiederzugewinnen. Wenn er dieses Verfahren drei- oder viermal anwendet, dann versichere ich dir, daß das Kind in jeder Hinsicht eine andere Einstellung haben wird. Es wird seine Vorstellung von der Welt ändern.«
»Was aber, wenn die Angst ihm Schaden zufügt?«
»Angst fügt einem nie Schaden zu. Was dem Geist schadet, ist, immer jemanden hinter sich zu haben, der einen schlägt und einem sagt, was man tun oder lassen soll.
Wenn der Junge sich dann besser
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