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Reise nach Ixtlan.

Reise nach Ixtlan.

Titel: Reise nach Ixtlan. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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kommst doch nicht aus ganz Südamerika?« Wieder war sein Blick durchdringend, als er mich ansah. Ich begann ihm zu erklären, wann und wo ich geboren sei, doch er unterbrach mich.
    »Darin sind wir uns ähnlich«, sagte er. »Ich lebe jetzt hier, aber in Wirklichkeit bin ich ein Yaqui-Indianer aus Sonora.«
»Tatsächlich! Ich selbst komme aus.« Er ließ mich nicht ausreden.
    »Ich weiß, ich weiß«, sagte er. »Du bist der, der du bist, wo immer du herkommen magst, so wie ich ein Yaqui aus Sonora bin.« Seine Augen leuchteten stark, und sein Lachen war eigenartig beunruhigend. Er gab mir das Gefühl, als habe er mich bei einer Lüge ertappt. Ich erlebte ein eigenartiges Schuldgefühl. Ich hatte den Eindruck, als wisse er etwas, das ich nicht wußte oder nicht sagen wollte. Meine seltsame Verlegenheit nahm zu. Er mußte sie bemerkt haben, denn er stand auf und fragte mich, ob ich in einem Restaurant in der Stadt essen gehen wolle. Der Rückweg zu seinem Haus und dann die Fahrt in die Stadt bewirkten, daß ich mich besser fühlte, aber ich war nicht völlig entspannt. Irgendwie fühlte ich mich bedroht, obwohl ich den Grund dafür nicht ausmachen konnte.
    Im Restaurant wollte ich ihn zum Bier einladen. Er sagte, daß er niemals trinke, nicht einmal Bier. Ich lachte. Ich glaubte ihm nicht; mein Freund, der uns zusammengeführt hatte, hatte mir gesagt, »der Alte ist die meiste Zeit über besoffen«. Es machte mir nichts aus, falls er mich anlog, wenn er behauptete, nicht zu trinken. Ich hatte ihn gern; es ging eine starke, beruhigende Ausstrahlung von ihm aus.
    Ich muß wohl ein zweifelndes Gesicht gemacht haben, denn er erklärte, er habe wohl in seiner Jugend getrunken, habe es aber eines Tages einfach aufgegeben.
    »Die Leute machen es sich kaum jemals klar, daß wir alles aus unserem Leben  verbannen können, jederzeit, einfach so.« Er schnippte mit den Fingern.
    »Glaubst du, daß man so einfach das Rauchen oder Trinken aufgeben kann?« fragte  ich.
    »Sicher«, sagte er sehr überzeugt. »Rauchen und Trinken sind nichts. Gar nichts, wenn wir es aufgeben wollen.« Gerade in diesem Augenblick machte das Wasser, das in der Kaffeemaschine kochte, ein komisches lautes Geräusch. »Hör dir das an!« rief Don Juan mit leuchtenden Augen. »Das kochende Wasser stimmt mir zu.« Dann, nach einer Pause, fügte er hinzu: »Der Mensch kann von allen Dingen um ihn herum Zustimmung erhalten.« In diesem, genau in diesem Augenblick machte die Kaffeemaschine ein wahrhaft obszönes, gurgelndes Geräusch. Er sah die Maschine an und sagte leise: »Danke«, nickte mit dem Kopf und brach dann in ein dröhnendes Lachen aus. Ich war verblüfft. Sein Lachen war wohl etwas zu laut, aber der ganze Vorgang hatte mir ehrlich Spaß gemacht. Daraufhin war meine erste wirkliche Sitzung mit meinem »Informanten« beendet. An der Tür des Restaurants sagte er Aufwiedersehen. Ich sagte ihm, ich müsse ein paar Freunde besuchen und würde ihn Ende der nächsten Woche gern wieder besuchen. »Wann wirst du zu Hause sein?« fragte ich. Er musterte mich.
    »Wann immer du kommst«, antwortete er. »Ich weiß nicht genau, wann ich kommen kann.«
»Dann komm einfach, und sei unbesorgt.«
»Und was ist, wenn du nicht da bist?«
»Ich werde da sein«, sagte er lächelnd und ging fort. Ich lief ihm nach und fragte ihn, ob er etwas dagegen habe, wenn ich meine Kamera mitbrächte, um Aufnahmen von ihm und seinem Haus zu machen.
    »Das kommt nicht in Frage«, sagte er mit finsterem Blick. »Und wie ist es mit einem  Tonband? Hättest du etwas dagegen?«
    »Ich fürchte, auch das ist unmöglich.«
    Ich wurde ärgerlich und begann zu diskutieren. Ich sagte, ich sähe keinen  vernünftigen Grund für seine Weigerung. Don Juan schüttelte verneinend den Kopf.
    »Vergiß es«, sagte er nachdrücklich. »Und wenn du mich weiterhin besuchen willst,  dann sprich nie wieder davon.« Ich brachte einen schwachen letzten Einwand vor.
    Ich sagte, Fotos und Bandaufnahmen seien für meine Arbeit unerläßlich. Er sagte,  für alles, was wir tun, sei nur eines unerläßlich: Er nannte es den Geist.
    »Ohne den Geist geht es nicht«, sagte er. »Und du hast ihn nicht. Mach dir  deswegen Sorgen, und nicht wegen der Fotos.«
    »Was willst du damit...?«
    Er unterbrach mich mit einer Handbewegung und trat ein paar Schritte zurück.
    »Komm bestimmt wieder«, sagte er leise und winkte zum Abschied.  

2. Die persönliche Geschichte löschen
Donnerstag, 22. Dezember 1960

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