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Reise nach Ixtlan.

Reise nach Ixtlan.

Titel: Reise nach Ixtlan. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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mußtest du vor ihnen davonlaufen.«
»Was hätte ich tun sollen?«
    «Gar nicht hingehen, oder hingehen, um eine bestimmte Handlung zu vollbringen. Nachdem du mit den Mexikanern herumgealbert hattest, warst du schwach, und die Catalina nutzte diese Gelegenheit. Daher postierte sie sich auf der Straße, um auf dich zu warten.
    Dein Körper wußte immerhin, daß irgend etwas nicht in Ordnung war, und trotzdem sprachst du sie an. Das war unverzeihlich. Bei solchen Begegnungen darfst du zu deinem Gegner kein einziges Wort sagen. Dann wandtest du ihr den Rücken zu. Das war noch schlimmer. Du liefst vor ihr davon, und das war das Schlimmste, was du tun konntest! Anscheinend ist sie unbeholfen. Ein Zauberer, der sein Salz wert ist, hätte dich in dem Augenblick, als du dich umdrehtest und davonliefst, auf der Stelle niedergemacht. Im Augenblick besteht deine einzige Verteidigung darin, stehenzubleiben und deinen Tanz aufzuführen.«
»Über welchen Tanz sprichst du?« fragte ich. Er sagte, das »Klopfen des Hasen«, das er mich gelehrt hatte, sei die erste Bewegung des Tanzes, den ein Krieger über sein ganzes Leben hin ausschmückt und erweitert und den er dann bei seiner letzten Begegnung auf Erden aufführt.
    Ich erlebte einen Moment eigenartiger Klarheit, und mir gingen eine Reihe von Gedanken durch den Kopf. Einerseits stand fest, daß das, was zwischen mir und der Catalina stattgefunden hatte, als ich ihr das erstemal entgegentrat, durchaus real war. Die Catalina war real, und ich konnte die Möglichkeit nicht ausschließen, daß sie mich tatsächlich verfolgte. Andererseits konnte ich nicht begreifen, wie sie mich verfolgte, und das veranlaßte mich zu dem schwachen Verdacht, daß Don Juan mich überlistete und daß er diese unheimlichen Effekte, die ich beobachtet hatte, irgendwie selbst hervorbrachte.
    Plötzlich sah Don Juan zum Himmel auf und meinte, es sei noch Zeit, hinzugehen und die Zauberin herauszufordern. Er beteuerte, daß wir uns dabei kaum einer  Gefahr aussetzten, da wir nur an ihrem Haus vorbeifahren wollten. »Du mußt dich davon überzeugen, ob es ihre Gestalt war«, sagte Don Juan. »Dann wirst du jedenfalls Gewißheit haben.« Meine Hände fingen stark an zu schwitzen, und ich mußte sie wiederholt mit einem Handtuch abtrocknen. Wir stiegen in den Wagen, und Don Juan dirigierte mich zur Hauptstraße und dann auf eine breite, unbefestigte Nebenstraße. Ich fuhr in der Mitte zwischen den Fahrbahnen. Schwere Lastwagen und Traktoren hatten tiefe Spuren eingegraben, und mein Wagen hatte zu wenig Bodenfreiheit, um auf der rechten oder linken Seite der Straße zu fahren. So fuhren wir langsam inmitten einer Staubwolke dahin. Der grobe Sand, der als Straßenbelag diente, hatte sich durch die Regenfälle mit Erde vermischt, und so stießen immer wieder trockene Schlammklumpen gegen den Boden meines Wagens und verursachten laute, explosionsartige Geräusche. Als wir eine kleine Brücke erreichten, hieß Don Juan mich langsam fahren. Dort saßen vier Indianer und winkten uns zu. Ich war nicht sicher, ob ich sie kannte. Wir überquerten die Brücke, und die Straße machte einen leichten Bogen.
    »Das ist das Haus der Frau«, flüsterte Don Juan mir zu und wies mit den Augen auf  ein weißes Haus, das von einem hohen Bambuszaun umgeben war. Er forderte mich auf, einen U-förmigen Bogen zu fahren und in der Mitte der Straße anzuhalten und zu warten, ob die Frau so mißtrauisch werden würde, daß sie sich zeigte. Wir standen dort etwa zehn Minuten. Mir kam es wie eine Ewigkeit vor. Don Juan sagte kein Wort. Er saß reglos da .und blickte zum Haus hinüber.
    »Dort ist sie«, sagte er, und seinen Körper durchfuhr ein plötzlicher Ruck.
    Ich sah den dunklen, unheilverkündenden Umriß einer Frau, die im Haus stand und  durch die offene Tür hinausspähte. Der Innenraum war dunkel, und dadurch erschien der Umriß der Frau noch dunkler.
    Nach ein paar Minuten trat die Frau aus der Dunkelheit heraus, sie blieb auf der Schwelle stehen und beobachtete uns. Wir betrachteten sie einige Zeit, und dann befahl mir Don Juan, loszufahren. Ich war sprachlos. Ich hätte schwören können, daß es die Frau war, die ich in der Dunkelheit neben der Straße hatte herhüpfen sehen. Es war eine halbe Stunde später, als wir auf den befestigten Highway einbogen, begann Don Juan zu sprechen. »Was meinst du nun?« fragte er. »Hast du ihre Figur erkannt?« Ich zögerte lange mit der Antwort. Ich scheute die Verpflichtung,

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