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Reise nach Ixtlan.

Reise nach Ixtlan.

Titel: Reise nach Ixtlan. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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Platte auf den Teller zu legen. Ein junger Mann sagte, die Platte, die sie gewählt hatte, sei kein »Twist«. Sie hantierte mit dem Plattenstapel und versuchte, die richtige zu finden, und alle drängten zu ihr hin, wobei sie mich stehenließen. Das gab mir Zeit, von der beleuchteten Fläche hinter den Laden zu laufen und zu verschwinden. Etwa dreißig Meter weiter blieb ich im Schatten einiger Bäume stehen und versuchte, mir klarzuwerden, was ich tun sollte. Ich war müde. Ich wußte, daß es Zeit war, mich ins Auto zu setzen und nach Hause zu fahren. Ich machte mich auf zu Blas' Haus, wo mein Wagen parkte. Wenn ich langsam fahre, meinte ich, dann würde niemand bemerken, daß ich abreiste. Die Leute, die sich um den Plattenspieler kümmerten, suchten anscheinend noch immer nach der richtigen Platte - ich hörte nur das hohe Summen des Lautsprechers -, aber dann ertönten die schmetternden Klänge eines Twist. Ich mußte laut lachen, als ich daran dachte, daß sie sich nun wohl zu der Stelle umwandten, wo ich gestanden hatte, und bemerken mußten, daß ich verschwunden war.
    Ich sah die dunklen Schatten von Leuten, die mir entgegenkamen und auf den Laden zugingen. Wir gingen aneinander vorbei und sie murmelten: »Buenas noches«. Ich erkannte sie und sprach sie an. Ich sagte ihnen, das Fest sei großartig. Kurz bevor ich eine scharfe Wegbiegung erreichte, begegnete ich zwei anderen Personen, die ich nicht erkannte, aber ich grüßte sie ebenfalls. Der Plattenspieler dröhnte hier draußen auf der Straße beinah so laut wie vor dem Laden. Es war eine dunkle, sternlose Nacht, aber der Schein der Ladenlampe erlaubte es mir, meine Umgebung recht gut zu erkennen. Blas' Haus war nicht mehr fern, und ich beschleunigte meinen Schritt. Dann bemerkte ich den dunklen Umriß eines Menschen, der links von mir an der Wegbiegung saß oder hockte. Einen Augenblick meinte ich, es könnte einer der Teilnehmer des Festes sein, der vor mir aufgebrochen war. Offenbar verrichtete er am Straßenrand sein Geschäft. Dies kam mir seltsam vor. Die Leute aus dem Dorf gingen ins dichte Gebüsch, um ihre körperlichen Funktionen zu verrichten. Wer das dort vorn auch sein mochte, so dachte ich, er mußte betrunken sein. Ich erreichte die Wegbiegung und sagte »Buenas noches«. Die Person antwortete mit einem unheimlichen, schroffen, unmenschlichen Heulen. Mir sträubten sich buchstäblich am ganzen Körper die Haare. Einen Augenblick war ich wie gelähmt. Dann begann ich schneller zu gehen. Ich sah mich kurz um. Ich erkannte, daß die dunkle Silhouette sich halb erhoben hatte; es war eine Frau. Ihre Haltung war gekrümmt, sie beugte sich vornüber; in dieser Haltung lief sie ein paar Meter, und dann hüpfte sie. Ich fing an zu rennen, während die Frau wie ein Vogel neben mir dahinhüpfte und mit mir Schritt hielt. Als ich Blas' Haus erreichte, schnitt sie mir den Weg ab, und wir stießen beinah zusammen. Ich sprang über einen flachen, trockenen Graben vor dem Haus und stürzte durch die morsche Tür. Blas war bereits zu Hause und nahm meine Geschichte unbesorgt auf.
    „Die haben dich nicht schlecht hochgenommen«, beteuerte er. »Den Indianern macht es Spaß, Fremden einen Streich zu spielen.«
    Mein Erlebnis hatte mich so erschüttert, daß ich am nächsten Tag zu Don Juan fuhr und nicht, wie ich es vorgehabt hatte, nach Hause.
    Am Spätnachmittag kehrte Don Juan zurück. Ich ließ ihm keine Zeit, etwas zu sagen, sondern platzte mit der ganzen Geschichte einschließlich Blas' Kommentar - heraus.
    Don Juans Miene verdüsterte sich. Vielleicht bildete ich es mir nur ein, aber ich hatte den Eindruck, er sei beunruhigt.
    »Gib nicht soviel auf das, was Blas sagte«, meinte er mit ernster Stimme. »Er weiß nichts über die Kämpfe zwischen Zauberern. In dem Augenblick, als du bemerktest, daß der Schatten sich links von dir befand, hättest du wissen sollen, daß es etwas Ernstes war. Du hättest auch nicht rennen sollen.« „Was hätte ich denn tun sollen -stehenbleiben?«
»Richtig. Wenn ein Krieger auf seinen Gegner trifft, und der Gegner nicht ein gewöhnliches menschliches Wesen ist, dann muß er ihm entgegentreten. Das ist das einzige, was ihn unverletzlich macht.« „Was sagst du da, Don Juan?«
    »Ich sage, daß du deine dritte Begegnung mit deinem würdigen Gegner hattest. Diese Frau folgt dir überall hin und wartet auf einen Moment der Schwäche deinerseits. Diesmal hätte sie dich fast erwischt.« Ich spürte, wie Unruhe in mir

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