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Reise nach Ixtlan.

Reise nach Ixtlan.

Titel: Reise nach Ixtlan. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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Wir sind nicht gleich. Wir sind uns nicht mal irgendwie ähnlich.«
    »Vielleicht könnte alles, was du sagst, mir helfen.«
»Es wäre einfacher für dich, wenn du einfach anfingst, deine Hände anzuschauen.«
    Er schien zu überlegen und wippte mit dem Kopf auf und ab. »Jedesmal wenn du in deinen Träumen etwas ansiehst, verändert es seine Form«, sagte er nach langem  Schweigen. »Der Trick, das Arrangieren der Träume zu lernen, besteht offenbar darin, die Dinge nicht einfach anzuschauen, sondern ihren Anblick auszudehnen. Das Träumen ist real, wenn es einem gelingt, sich auf alles zu konzentrieren. Dann gibt es keinen Unterschied zwischen dem, was man tut, wenn man schläft, und dem, was man tut, wenn man nicht schläft. Siehst du, was ich meine?« Ich bekannte, daß ich, obgleich ich das Gesagte verstand, seine Prämisse nicht akzeptieren konnte. Ich wandte ein, es gebe in der zivilisierten Welt viele Menschen, die Wahnbilder haben und das, was in der realen Welt vorgeht, nicht von dem unterscheiden können, was in ihren Phantasien stattfindet. Solche Menschen, sagte ich, seien zweifellos geisteskrank, und mein Unbehagen nehme jedesmal zu, wenn er von mir verlangte, wie ein Geisteskranker zu handeln.
    Nach dieser langen Erklärung von mir machte Don Juan eine komische Geste der Verzweiflung, wobei er die Hände an die Wangen legte und laut seufzte. »Laß deine zivilisierte Welt aus dem Spiel«, sagte er. »Laß das sein! Niemand verlangt von dir, dich wie ein Irrer zu benehmen. Ich sagte dir schon, ein Krieger muß vollkommen sein, um mit den Kräften umgehen zu können, die er jagt. Wie kannst du glauben, daß ein Krieger nicht imstande ist, die Dinge zu unterscheiden? Du dagegen, mein Freund, der du weißt, was die reale Welt ist, würdest augenblicklich scheitern, wenn du auf deine Fähigkeit angewiesen wärst, zu unterscheiden, was real ist und was nicht.«
    Offenbar hatte ich das, was ich sagen wollte, nicht klar zum Ausdruck gebracht. Jedesmal wenn ich Einwände vorbrachte, faßte ich nur die unerträgliche Frustration in Worte, daß ich mich in einer unhaltbaren Situation befand.
    »Ich versuche nicht, aus dir einen Kranken, einen Verrückten zu machen«, fuhr Don Juan fort. »Das schaffst du schon allein und ohne meine Hilfe. Aber die Kräfte, die uns leiten, haben dich zu mir geführt, und ich habe mich bemüht, dich zu lehren, deine törichte Lebensweise zu ändern und das starke Leben eines Kriegers zu leben. Dann führten die Kräfte dich abermals und sagten mir, du sollst lernen, das unfehlbare Leben eines Jägers zu leben. Oder kannst du das nicht? Aber wer weiß das schon? Nichts ist so geheimnisvoll und ehrfurchtgebietend wie diese unergründliche Welt - wer kann also wissen, wozu du fähig bist?« In Don Juans Stimme schwang ein Ton der Trauer mit. Ich wollte mich entschuldigen, aber er begann erneut zu sprechen. »Du brauchst nicht unbedingt deine Hände anzusehen«, sagte er. »Wie ich schon sagte, wähle halt irgend etwas, aber wähle etwas im voraus und such es dann in deinen Träumen. Ich sagte nur, nimm die Hände, weil sie immer da sind.
    Wenn sie anfangen, ihre Form zu verändern, mußt du den Blick von ihnen wenden und etwas anderes ansehen, und dann schau wieder deine Hände an. Es braucht lange, diese Technik zu vervollkommnen.«
    Ich war so sehr mit dem Aufschreiben beschäftigt, daß ich ncht bemerkt hatte, wie es dunkel wurde. Die Sonne war bereits hinter dem Horizont verschwunden. Der Himmel war bewölkt, und die Dämmerung brach herein. Don Juan stand auf und sandte einen verstohlenen Blick nach Süden.
    »Laß uns gehen«, sagte er. »Wir müssen nach Süden gehen, bis der Geist des Wasserloches sich zeigt.«
    Wir gingen etwa eine halbe Stunde. Die Landschaft veränderte sich abrupt, und wir kamen in eine öde Gegend. Dort war ein großer runder Hügel, auf dem der Chaparral abgebrannt war. Er sah aus wie ein kahler Kopf. Wir gingen auf ihn zu. Ich glaubte, Don Juan wolle den flachen Hang hinaufsteigen, aber er blieb stehen und verharrte in einer wachsamen Haltung. Sein ganzer Körper schien sich anzuspannen und erbebte. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie er aufrecht stehen konnte, während seine Muskeln so entspannt waren.
    In diesem Augenblick traf mich ein heftiger Windstoß. Don Juan warf sich in die Richtung des Windes, nach Westen herum. Er gebrauchte nicht seine Muskeln, um sich umzuwenden, oder wenigstens gebrauchte er sie nicht so, wie ich die meinen beim

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