Reise ohne Ende
ganz gut, wenn man daran denkt, daß die Planeten nicht nur für den Gebrauch von uns Menschen da sind.«
Gildoran aber hatte jetzt einmal angefangen, und jetzt war er nicht mehr aufzuhalten. »Wie die höhere Vorsehung auch aussieht oder was es auch sein mag, wovon Gilharrad gesprochen hat – was uns angeht ist doch allein, was die Menschen damit anfangen können. Ich dachte, wir sollten uns vielleicht darum kümmern, was für uns gut ist, statt lange darüber zu diskutieren, was nicht gut für uns ist. Wir brauchen Treibstoff und Fluor, und Gilraban hat schon darauf hingewiesen, daß wir ihn als Transmitter-Haltestelle verwenden können.«
»Außerdem gibt es noch den Finderlohn«, erinnerte sie Gilhart, und Gilrae nickte.
»Da hast du allerdings recht, aber wir sind jetzt schon so lange im Raum, daß diese Gebühr gerade unsere Schulden ausgleicht.
Finanziell sanieren können wir uns damit nicht. Wir sind noch immer in den roten Zahlen.«
»Wenn wir unsere Schulden bezahlen können, sind wir nicht mehr in den roten Zahlen, und das ist auf jeden Fall weit besser, als wenn wir noch ein Jahr warten müßten, bis wir einen guten Planeten finden«, erinnerte sie Gilhart, und als sie von der Brücke heruntergingen, hakte er sich bei ihr in einer vertraulichen Besitzergeste unter.
Gildoran sah ihnen mit finsterem Gesicht zu, und Gilramie mit ihren Mandelaugen kam zu ihm.
»Warum schaust du denn so wütend drein, Gildoran?«
»Ich schaue überhaupt nicht wütend«, gab er scharf zurück.
Das Mädchen nahm ihn beim Ellbogen, wie sie das seit Jahren tat, und sagte: »Irgend etwas paßt dir aber nicht – meinst du vielleicht, ich merke das nicht, Doran?«
Er zuckte die Achseln. »Das ist mir egal. Gilrae aber, die war doch immer mit Giltallen zusammen … sie haben sich schon verbunden, bevor ich geboren wurde … und jetzt ist sie ständig mit Gilhart zusammen. Jetzt schon.«
Ramie sagte sanft: »Was haben sie immer gesagt, als wir noch klein waren? Es gibt eine rechte Zeit für alles; eine Zeit, geboren zu werden, und eine Zeit zum Sterben, eine Zeit zu trauern und eine Zeit, die Trauer zu beenden. Ich bin froh, wenn Rae wieder glücklich ist. Das letzte Jahr war für sie entsetzlich hart. Es war ein Segen, daß kleine Kinder da waren, um die sie sich kümmern konnte, und daß sie als biologischer Offizier eingeteilt war, sonst wäre sie gestorben, da bin ich ganz sicher.«
Gildoran gab zurück: »Wahrscheinlich denkst du auch, daß es ein Glück war, daß zwei von den Kindern gestorben sind, weil sie dann noch um einen anderen Verlust trauern konnte als um Giltallen, was?«
Ramies dunkle Augen blitzten empört auf. »Das war grausam, was du da eben gesagt hast, Doran – das war deiner unwürdig!«
»Es gefällt mir nicht, daß Giltallen so vergessen wird. Und Gilmarin. Hat dir das denn nichts ausgemacht …«
»Doran, wie kannst du nur? Natürlich hat es mir etwas ausgemacht. Ich habe Gilmarin ebenso geliebt wie du. Er war mein erster …«
Ihre Stimme überschlug sich, und sie sah zur Seite. »Er wollte eine … eine permanente Verbindung mit mir eingehen, aber ich wollte nicht. Ich habe mir schon die Schuld gegeben und mich gefragt, wie ich ihm das Glück verweigern konnte, wo er doch so jung sterben mußte …«
Gildoran sah auf seine Schuhe hinab und fühlte sich ungefähr fünf Zentimeter groß. Er murmelte: »Tut mir leid, Ramie. Das wußte ich nicht.« Er war so sehr mit seiner eigenen Trauer beschäftigt gewesen, hatte sich so tief in seine Arbeit und das kleine Drama von Leben und Tod gestürzt, daß ihm für die Verluste von anderen nichts mehr übrigblieb. Vielleicht hatte er das Gefühl gehabt, daß niemand so trauern könne wie er, und daß Gilmarin sein Spielkamerad, sein Freund gewesen war. Er hatte es sich nicht klargemacht, daß auch Ramie zu ihrer Gruppe gehört hatte, und daß auch sie die Schmerzen der Trauer ertragen mußte, vielleicht mehr als er. Er hatte lange um Janni getrauert, die ihn verlassen hatte. Ramie aber, deren erster Liebhaber einer vom Schiff gewesen war, hatte da mehr Anlaß für Trauer.
»Ramie, ich bin ein Biest, ich sollte solche Dinge nicht sagen. Was kann ich jetzt noch sagen? Ich habe nicht nachgedacht, ich habe es nicht gewußt.«
Sie umarmte ihn und legte ihren Kopf auf seine Schulter. »Ist schon gut. Du mußtest eben auf deine Art trauern, und das hast du auch gemacht.«
»In der Trauer sollte man aber nicht allein sein«, sagte er in gedämpftem Ton.
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