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Reise um den Mond

Reise um den Mond

Titel: Reise um den Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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wird in ebener Gegend das Projectil, sobald es den Boden berührt, unbeweglich sein. Auf einem Abhange dagegen würde es wie eine Lavine fortrollen, und da wir keine Eichhörnchen sind, würden wir nicht mit heiler Haut davon kommen. Es ist also so in jeder Hinsicht am besten.«
    In der That schien der glückliche Erfolg des kühnen Unternehmens nicht mehr zweifelhaft. Ein Gedanke jedoch machte Barbicane Sorge; aber um seine Genossen nicht zu beunruhigen, schwieg er darüber.
    Die Richtung des Projectils nach der Nordhälfte des Mondes bewies, daß seine Fahrt ein wenig von ihrer Linie abgewichen war. Mathematisch genommen mußte die Kugel gerade das Centrum der Mondscheibe treffen; nur durch eine Abweichung konnte es anderswohin sich richten. Woher kam eine solche? Barbicane konnte sich’s nicht denken, noch über die Bedeutung dieser Abweichung urtheilen, weil ihm die Merkzeichen dafür abgingen. Er hoffte jedoch, es werde nur das zur Folge haben, daß man dem oberen Rand des Mondes zugeführt würde, eine zum Landen geeignetere Gegend.
    Barbicane beschränkte sich daher, ohne seine Besorgnisse seinen Freunden mitzutheilen, darauf, den Mond häufig zu beobachten, um zu erkennen, ob sich die Richtung des Projectils nicht ändere. Denn es würde eine fürchterliche Lage sein, wenn die Kugel, ihr Ziel verfehlend, über die Mondscheibe hinaus in die Planetenräume gelangte.
    In diesem Augenblick ließ der Mond, anstatt daß er bisher flach wie eine Scheibe schien, seine Wölbung bereits wahrnehmen. Hätten die Sonnenstrahlen ihn schräg von der Seite getroffen, so würde der geworfene Schatten die hohen Gebirge, welche dann klar hervortraten, haben erkennen lassen; der Blick hätte in den klaffenden Grund seiner Krater dringen, und die launenhaften Streifen, welche über seine unermeßlichen Ebenen ziehen, verfolgen können. Aber jede Erhöhung verlor sich noch in dem starken Lichtglanz. Kaum konnte man die großen Flecken unterscheiden, welche dem Mond den Anschein eines menschlichen Angesichts geben.
    »Menschengesicht, meinetwegen, sagte Michel Ardan, aber es thut mir leid für die liebenswürdige Schwester Apollo’s, ein benarbtes Gesicht!«
    Inzwischen beobachteten die Reisenden, so nahe ihrem Ziel, unablässig diese neue Welt. Ihre Phantasie ließ sie die unbekannten Landschaften durchwandern. Sie erklimmten hohe Berggipfel, stiegen in den Grund der weiten Ringgebirge hinab. Hie und da glaubten sie ungeheure Meere zu sehen, die unter einer dünnen Atmosphäre kaum bestehen konnten, und Bäche, die den Tribut der Gebirge zollten. Ueber den Abgrund gebeugt hofften sie von dem Gestirn her Geräusch zu vernehmen, das in der Einsamkeit des leeren Raumes ewig stumm blieb.
    Von diesem letzten Tage blieben ihnen tiefe Erinnerungen. Sie zeichneten die geringsten Details auf. Es durchdrang sie eine unbestimmte Unruhe in dem Verhältniß, wie sie sich dem Ziele näherten, und diese Unruhe wäre noch größer gewesen, wenn sie die geringe Geschwindigkeit, mit der sie fuhren, gewahr geworden wären. Sie würde ihnen wohl unzureichend vorgekommen sein, um sie bis an ihr Ziel zu bringen. Das Projectil hatte damals fast kein Gewicht mehr. Dieses nahm beständig ab, und mußte am Ende auf der Linie verschwinden, wo die Anziehungskräfte des Mondes und der Erde sich gegenseitig aufhoben, was überraschende Wirkungen hervorbrachte.
    Trotz dieser beunruhigenden Gedanken vergaß jedoch Michel Ardan nicht, das Frühstück mit gewohnter Pünktlichkeit zu bereiten, und man aß mit großem Appetit. Die Bouillon war vortrefflich; nicht minder das conservirte Fleisch. Einige Gläser guten Franzweins setzten dem Mahle die Krone auf. Und bei dieser Gelegenheit bemerkte Michel Ardan, daß die Mondweinberge – wofern es solche gäbe, – bei dieser glühenden Hitze die feurigsten Weine erzeugen müßten. Für jeden Fall hatte der vorsorgliche Franzose nicht vergessen, einige köstliche Reben, als Medoc und Côte d’or, in sein Packet zu thun, worauf er hauptsächlich baute.
    Der Apparat Reisset und Regnault war fortwährend sehr pünktlich in Thätigkeit, so daß die Luft in völlig reinem Zustand blieb. Kein Elementartheilchen Kohlensäure, das nicht von dem Kali verschlungen ward, und vom Sauerstoff versicherte der Kapitän Nicholl, »er sei erster Qualität«. Etwas Wasserdünste im Projectil mischten sich mit dieser Luft und milderten ihre Trockenheit, und man kann sagen, daß viele Wohnungen in Paris, London oder New-York, viele

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