Reise um den Mond
anvertraut. Während der Nacht des 11. zum 12. December befand sie sich genau unterm 27°7’ nördl. Breite und 41°37’ westl. Länge vom Meridian Washingtons ab.
Der Mond, damals in seinem letzten Viertel, stieg am Horizont heraus.
Nachdem der Kapitän Blomsberry sich entfernt hatte, stand der Lieutenant Bronsfield mit einigen Officieren auf dem Verdeck beisammen. Als der Mond aufging, richteten sich ihre Blicke nach dem Gestirn, das eben von den Augen einer ganzen Hemisphäre betrachtet wurde. Die besten Seefernrohre hätten das um seine Halbkugel kreisende Projectil nicht auffinden können, und doch wurden alle nach der leuchtenden Scheibe gerichtet, die zu gleicher Zeit-Millionen Blicke mit Lorgnetten betrachteten.
»Sie sind seit zehn Tagen fort, sagte der Lieutenant Bronsfield. Was ist aus ihnen geworden?
– Sie sind angekommen, mein Lieutenant, rief ein junger See-Cadet, und sie machen’s wie jeder Reisende, der in ein neues Land kommt, sie gehen spazieren!
– Das bin ich überzeugt, weil Sie mir’s sagen, mein junger Freund, erwiderte lächelnd der Lieutenant Bronsfield.
– Indessen, versetzte ein anderer Officier, läßt sich ihre Ankunft nicht in Zweifel ziehen. Das Projectil mußte den Mond im Moment, da er voll war, am 5. zu Mitternacht, erreichen. Nun haben wir 11. December, das macht sechs Tage. In sechsmal vierundzwanzig Stunden hat man, das ist klar, Zeit genug, sich bequem einzurichten. Es dünkt mir, als sähe ich unsere braven Landsleute, in einem Thalgrund am Ufer eines selenitischen Baches gelagert, neben dem in Folge des Herabsturzes halb im Boden steckenden Projectil mitten unter vulkanischen Trümmern, wie der Kapitän Nicholl seine Nivellirarbeiten beginnt, der Präsident Barbicane seine Reisenotizen ordnet, Michel Ardan die Einöden des Mondes mit dem Duft seiner Cigarre parfümirt.
– Ja, so muß es wohl sein, so! rief der junge See-Cadet, von der idealen Schilderung seines Vorgesetzten begeistert.
– Ich will’s wohl glauben, erwiderte der Lieutenant Bronsfield, der sich nicht ereiferte. Leider fehlen uns immer noch directe Nachrichten aus der Mondwelt.
– Verzeihen Sie, mein Lieutenant, sagte der See-Cadet, aber kann der Präsident Barbicane nicht schreiben?«
Lautes Lachen war die Antwort.
»Es dünkt mir ich sähe sie.« (S. 183.)
»Nicht Briefe, fuhr der junge Mann lebhaft fort. Die Postadministration geht das nichts an.
– Aber doch wohl die Administration des Telegraphenverkehrs? fragte ironisch einer der Officiere.
– Ebensowenig, erwiderte der Cadet, der auf seinem Gedanken beharrte. Aber es ist doch nicht schwer, einen schriftlichen Verkehr mit der Erde einzurichten.
Sturz des Projectils in’s Meer. (S. 187.)
– Und wie?
– Vermittelst des Teleskops zu Long’s Peak. Sie wissen, daß es den Mond bis auf zwei Lieues dem Felsengebirge nahe bringt, und daß man vermittelst desselben auf dessen Oberfläche Gegenstände von neun Fuß Durchmesser sehen kann. Nun! Wenn unsere sinnreichen Freunde ein riesenmäßiges Alphabet verfassen, damit hundert Toisen lange Worte und eine Lieue lange Sätze schreiben, so können sie uns Nachricht von sich zukommen lassen.«
Dem jungen Cadetten, dem es sicherlich nicht an Phantasie fehlte, ward rauschender Beifall zu Theil. Der Lieutenant Bronsfield gab selbst zu, die Idee sei ausführbar. Er fügte ferner bei, man könne auch vermittelst parabolischer Spiegel durch bündelweise gruppirte Lichtstrahlen einen directen Verkehr herstellen; doch müsse er bemerken, könne man auch auf diese Weise Mittheilungen aus der Mondwelt erhalten, so könne man nicht umgekehrt von der Erde aus sie zusenden, weil sie dort nicht mit den dazu erforderlichen Instrumenten versehen wären.
»Das ist klar, erwiderte einer der Officiere; aber was aus den Reisenden geworden ist, was sie ausgerichtet, gesehen haben, das interessirt uns doch höchlich. Uebrigens, wenn, woran ich nicht zweifle, das Unternehmen glückte, wird man’s wiederholen. Die Columbiade ist im Boden Florida’s wohl aufbewahrt. Es handelt sich also nur um das Geschoß und Pulver, und jedesmal, wann der Mond im Zenith steht, kann man ihm eine Ladung Besucher zusenden.
– Offenbar, erwiderte der Lieutenant Bronsfield, wird J.T. Maston nächster Tage seinen Freunden nachreisen.
– Wenn er mich mitnehmen will, rief der Cadet, bin ich gerne dabei.
– O! An Reiselustigen wird’s nicht fehlen, versetzte Bronsfield, und läßt man sie gewähren, so
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