Reise Um Die Erde in 80 Tagen
hatte er dies seinem Herrn mitgetheilt? Welche Rolle spielte er bei alledem? War er mitschuldig oder nicht? War die Sache ausgewittert, und folglich verfehlt. Der Agent verbrachte so einige peinliche Stunden, indem er bald alles für [110] verloren hielt, bald hoffte, Fogg wisse nichts davon, schließlich ohne zu wissen, was er thun solle.
Inzwischen wurde sein Gehirn wieder ruhig, und er entschloß sich, offen mit Passepartout zu reden. Fände er sich in der gewünschten Lage, um Herrn Fogg zu Hongkong verhaften zu können, und schickte sich Herr Fogg an, nun gänzlich das englische Gebiet zu verlassen, so wollte er, Fix, Alles dem Passepartout heraussagen. Entweder der Diener war Mitschuldiger seines Herrn, – und dieser wußte alles, und dann war alles ganzlich verdorben – oder der Diener war bei dem Diebstahl nicht betheiligt, dann läge es in seinem Interesse, sich von dem Diebe loszusagen.
So standen also diese beiden Männer zu einander, und über ihnen schwebte Phileas Fogg in majestätischem Gleichmuth. Er vollendete regelrecht seine Kreisbahn um die Erde, ohne sich um die Asteroïden, die um ihn gravitirten, zu kümmern.
Und doch befand sich in der Nähe – um einen astronomischen Ausdruck zu gebrauchen, – ein störendes Gestirn, welches auf das Herz dieses Gentleman einigermaßen hätte beunruhigend wirken müssen. Aber nein! Zu großem Befremden Passepartout's wirkten Mrs. Aouda's Reize gar nicht, und wenn Störungen stattfanden, so wären sie schwerer zu berechnen gewesen, als die des Uranus, welche die Entdeckung des Neptun veranlaßten.
Ja! Passepartout staunte täglich von Neuem, wenn er in den Augen der jungen Frau soviel dankbare Hingebung gegen seinen Herrn las! Ganz gewiß hatte Phileas Fogg nur so viel Herz, als erforderlich war, um sich heroisch zu benehmen; aber für Liebesgefühle nicht! Von Besorgnissen, welche die Wechselfälle dieser Reise in ihm hervorrufen konnten, keine Spur. Aber Passepartout selbst lebte in steten Aengsten. Einmal sah er bei einer heftigen Stampfbewegung Dampf aus den Klappen herausdringen, da rief er zornig: »Die Klappen sind nicht gehörig beschwert! Man kommt nicht vorwärts! Seht da die Engländer! Auf einem amerikanischen Schiffe flöge man vielleicht in die Luft, aber man führe auch rascher!«
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Achtzehntes Capitel.
Phileas Fogg, Passepartout und Fix bekommen alle zu thun.
Während der letzten Tage der Fahrt war das Wetter schlimm. Sehr starker Wind, der standhaft aus Nordwest wehte, hemmte den Lauf des Packetbootes. Allzu unstät schwankte der Rangoon beständig, und die Passagiere durften wohl diesen langen, Uebelbefinden erregenden Wellen grollen, welche der Wind von der hohen See aus herbeitrieb.
Während des 3. und 4. November war's eine Art Sturm. Windstöße peitschten heftig das Meer. Der Rangoon mußte einen halben Tag lang beilegen, bei nur zehn Schraubenschlägen mit den Wellen laviren. Alle Segel waren eingezogen, und es war noch allzuviel Takelwerk, das mitten in den Windstößen pfiff.
Natürlich wurde die Schnelligkeit des Packetbootes dadurch bedeutend vermindert, und man konnte annehmen, daß es zu Hongkong um zwanzig Stunden nach der vorschriftsmäßigen Zeit anlangen würde, und noch später, wenn sich der Sturm nicht legte.
Phileas Fogg verhielt sich bei diesem Anblick eines wüthenden Meeres, welches direct gegen ihn zu kämpfen schien, mit seiner gewöhnlichen Gemüthsruhe. Seine Stirne ward nicht einen Augenblick finster, und doch konnte eine Verspätung um zwanzig Stunden seinen Reisezweck verderben, indem er die Abfahrt des Packetbootes nach Yokohama verfehlte. Aber dieser nervenlose Mann empfand weder Ungeduld, noch Unlust. Es schien wahrhaftig, als sei dieser Sturm in seinem Programm vorgesehen.
Passepartout als Matrose. (S. 113.)
Mrs. Aouda, die sich mit ihrem Gefährten über dies Unwetter unterhielt, fand ihn ebenso gleichmüthig wie zuvor.
Fix sah diese Dinge nicht mit demselben Auge an. Im Gegentheil hatte er Gefallen an dem Sturme. Es hätte ihm eine unendliche Befriedigung gewährt, wäre der Rangoon genöthigt gewesen, vor dem Sturme zu fliehen. Alle diese Verspätungen waren ihm Wasser auf seiner Mühle, denn sie konnten den Herrn Fogg nöthigen, einige Tage zu Hongkong zu verweilen. Endlich, der Himmel mit seinen Stürmen und Windstößen war ihm günstig. Zwar [112] war er ein wenig unwohl, aber daran lag nichts! Wenn auch sein Körper an der Seekrankheit litt, sein Geist jubelte mit unendlicher
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