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Reise Um Die Erde in 80 Tagen

Reise Um Die Erde in 80 Tagen

Titel: Reise Um Die Erde in 80 Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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den Indianern eine Thür, und es gelang ihm, unter [203] den Wagen zu gleiten, wo er, während über seinem Kopf unablässig gekämpft und Schüsse gewechselt wurden, alle seine Behendigkeit, seine Gewandtheit als Clown zu Hilfe nahm und unter den Waggons geschmiegt an den Ketten und anderen Maschinentheilen angeklammert, mit wunderbarer Geschicklichkeit von einem Wagen zum andern klimmend, ohne gesehen zu werden, an den vordern Theil des Zuges kam.
    Hier hielt er sich mit der einen Hand zwischen dem Gepäckwagen und dem Tender fest, und hakte mit der andern die Sicherheitsketten aus; die Kuppelstange loszuschrauben hätte er wohl auch nicht fertig gebracht, aber eine Erschütterung der Maschine zersprengte dieselbe, so daß nun die Wagen allmälig zurückblieben, während die Locomotive mit erneuerter Schnelligkeit davoneilte.
    Der Wagenzug rollte noch einige Minuten lang weiter, dann aber wirkten aus dem Innern derselben die Bremser, und endlich hielt der Zug hundert Schritt weit von der Station Kearney.
    Hier kamen die Soldaten des Forts, welche durch die Schüsse bereits aufgeregt waren, in Eile herbei. Die Sioux warteten sie nicht ab, und ehe noch der Zug völlig zum Stehen kam, hatte sich die ganze Truppe entfernt.
    Als aber die Reisenden auf dem Quai der Station sich überzählten; nahmen sie wahr, daß Einige fehlten, unter anderen der muthige Franzose, dessen Opferwilligkeit sie soeben gerettet hatte.

Dreißigstes Capitel.
Phileas Fogg thut nur seine Schuldigkeit.
    Drei Reisende, Passepartout darunter, waren verschwunden. Waren sie im Kampf gefallen? waren sie Gefangene? Man konnte es noch nicht wissen.
    Viele waren verwundet, aber keiner tödtlich. Zu den Schwerverwundeten gehörte der Oberst Proctor, der sich tapfer geschlagen hatte und durch eine Kugel zu Boden gestreckt worden war. Sie wurden auf dem Bahnhof sogleich in Pflege genommen.
    [204] Mrs. Aouda war wohlbehalten. Phileas Fogg, obwohl er sich nicht geschont, hatte keinen Ritz. Fix war unbedeutend am Arm verwundet. Aber Passepartout fehlte, und die junge Frau vergoß Thränen um ihn.
    Inzwischen hatten alle Reisenden den Zug verlassen. Die Räder der Waggons waren mit Blut befleckt, und Fleischklumpen hingen an den Naben und Speichen. Weithin auf der weißen Fläche sah man rothe Streifen. Die hintersten der Indianer verschwanden im Süden am Republican-River.
    Herr Fogg stand mit gekreuzten Armen unbeweglich: es war eine wichtige Entschließung zu fassen. Mrs. Aouda, die neben ihm stand, blickte ihn an, ohne ein Wort zu sprechen ... Er verstand diesen Blick. War sein Diener gefangen, mußte man nicht Alles daran setzen, ihn den Indianern zu entreißen? ...
    »Ich werde ihn wieder bekommen, todt oder lebendig, sagte er einfach zu Mrs. Aouda.
    – Ah! mein Herr! rief die junge Frau aus, faßte die Hände ihres Begleiters und bedeckte sie mit Thränen.
    – Lebendig! fuhr Herr Fogg fort, wenn wir keine Minute verlieren!«
    Mit diesem Entschluß setzte Phileas Fogg Alles daran. Er konnte seinen Ruin herbeiführen. Verspätete er sich um einen einzigen Tag, so verfehlte er das Packetboot zu New-York, und seine Wette war unrettbar verloren. Aber der Gedanke: »Es ist meine Pflicht!« ließ ihn nicht schwanken.
    Der commandirende Hauptmann des Forts Kearney war zugegen. Seine Soldaten, etwa hundert Mann, waren im Vertheidigungszustand für den Fall, daß die Sioux den Bahnhof direct angegriffen hätten.
    »Mein Herr, sagte Herr Fogg zu dem Kapitän, drei Reisende sind verschwunden.
    – Todt? fragte der Kapitän.
    – Todt oder gefangen, erwiderte Phileas Fogg. Die Ungewißheit darüber muß beseitigt werden. Wollen Sie die Sioux verfolgen?
    – Das ist bedenklich, mein Herr, sagte der Kapitän. Diese Indianer können bis über den Arkansas hinaus fliehen! Ich darf die anvertraute Feste nicht verlassen.
    – Mein Herr, versetzte Phileas Fogg, es handelt sich um drei Menschenleben.
    – Allerdings ... Aber kann ich fünfzig Leben einsetzen, um drei zu retten?
    [205] – Ich weiß nicht, ob Sie's können, mein Herr, aber Ihre Pflicht ist's.
    – Mein Herr, erwiderte der Kapitän, Niemand hier hat mich meine Pflicht zu lehren.
    – Nun gut, sagte Phileas Fogg kalt. So werd' ich allein gehen.
    – Sie, mein Herr! schrie Fix, der herbeigekommen war, – Sie wollen allein die Indianer verfolgen!
    – Meinen Sie denn, daß ich diesen Unglücklichen, welchem wir alle das Leben verdanken, zu Grunde gehen lasse. – Ich gehe.
    – Nun denn, allein sollen Sie

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