Reisen im Skriptorium
fruchtbar. Die Wälder voller Wild. Dort könnten sie besser und weniger mühsam leben.
– Sie vergessen, dass alle primitiven Nationen den Sperrzonen-Erlass mitgetragen haben. Nachdem die Kämpfe eingestellt wurden, ziehen sie es vor, in ihrer eigenen abgetrennten Welt zu leben, ohne Einmischung vonseiten der Konföderation.
– Ich hoffe, Sie haben recht, Graf, aber ich habe die Pflicht, das Wohl der Konföderation zu schützen. Ob die Berichte über Land sich als unbegründet erweisen oder nicht, es muss ihnen nachgegangen werden. Sie kennenihn, Sie haben in den Territorien gelebt, und von allen Mitarbeitern des Büros fällt mir keiner ein, der für diese Aufgabe besser geeignet wäre. Ich befehle Ihnen nicht, dort hinzugehen, aber ich wäre Ihnen zutiefst dankbar, wenn Sie einwilligen würden. Die Zukunft der Konföderation könnte davon abhängen.
– Ihr Vertrauen ehrt mich, Sir. Aber was, wenn man mich nicht über die Grenze lässt?
– Sie überbringen ein persönliches Schreiben von mir an Colonel De Vega, den Kommandeur der Garnison. Er wird nicht sehr erfreut sein, aber ihm wird nichts anderes übrigbleiben. Einem Befehl der Zentralregierung ist Folge zu leisten.
– Aber wenn es stimmt, was Sie sagen, und Land hält sich mit hundert Männern im Territorium auf, stellt sich eine verwirrende Frage.
– Eine Frage?
– Wie ist es ihm gelungen, dort einzudringen? Soweit ich weiß, sind entlang der gesamten Grenze Truppen stationiert. Ich kann mir vorstellen, dass es einem Einzelnen gelingt, an ihnen vorbeizuschleichen; aber nicht hundert. Wenn Land durchgekommen ist, kann er das nur mit Colonel De Vegas Wissen getan haben.
– Vielleicht, vielleicht auch nicht. Das ist eins der Rätsel, deren Lösung ich von Ihnen erwarte.
– Wann soll ich aufbrechen?
– Sobald Sie können. Das Ministerium stellt Ihnen eine Kutsche zur Verfügung. Wir statten Sie mit Vorrätenaus und treffen alle nötigen Vorkehrungen. Sie werden nichts anderes tragen müssen als den Brief und die Kleider an Ihrem Leib.
– Dann morgen früh. Ich habe soeben meinen halbjährlichen Bericht beendet, mein Schreibtisch ist aufgeräumt.
– Kommen Sie um neun und holen Sie den Brief ab. Ich erwarte Sie in meinem Büro.
– Sehr wohl, Sir. Morgen früh um neun.
Gerade als Mr. Blank das Ende des Gesprächs zwischen Graf und Joubert erreicht, beginnt das Telefon zu läuten, und wieder einmal ist er gezwungen, seine Lektüre des Typoskripts zu unterbrechen. Er stößt einen leisen Fluch aus, stemmt sich aus seinem Stuhl und humpelt, bedingt durch seine jüngsten Blessuren, langsam und mühevoll durch den Raum zum Nachttisch; und so schleppend kommt er voran, dass er erst beim siebten Läuten den Hörer abnehmen kann, während er zuvor noch flink genug gewesen war, Floods Anruf beim vierten Läuten entgegenzunehmen.
Was wollen Sie?, sagt Mr. Blank grob und lässt sich aufs Bett nieder, als ihn plötzlich wieder das alte Schwindelgefühl überfällt.
Ich will wissen, ob Sie die Erzählung beendet haben, antwortet eine ruhige Männerstimme.
Erzählung? Was für eine Erzählung?
Die Sie gelesen haben. Die Erzählung über die Konföderation.
Ich habe nicht gewusst, dass das eine Erzählung ist. Für mich klingt es eher nach einem Bericht, wie etwas, das wirklich passiert ist.
Es ist ein Phantasieprodukt, Mr. Blank. Ein literarisches Werk.
Ah. Das erklärt, warum ich von diesem Ort noch nie gehört habe. Ich weiß, mein Kopf arbeitet heute nicht ganz richtig, aber ich hatte den Eindruck, irgendjemand müsse Grafs Manuskript gefunden haben, Jahre nachdem er es geschrieben hat, und dann sei es mit einer Schreibmaschine abgetippt worden.
Ein verzeihlicher Irrtum.
Ein dummer Fehler.
Machen Sie sich nichts draus. Ich muss nur wissen, ob Sie damit fertig sind oder nicht.
Fast. Nur noch wenige Seiten. Wenn Sie mich nicht mit diesem verfluchten Anruf unterbrochen hätten, wäre ich jetzt wahrscheinlich schon fertig.
Gut. Ich komme in fünfzehn oder zwanzig Minuten vorbei, dann können wir die Sprechstunde anfangen.
Sprechstunde? Wovon reden Sie?
Ich bin Ihr Arzt, Mr. Blank. Ich sehe täglich nach Ihnen.
Ich kann mich nicht erinnern, einen Arzt zu haben.
Selbstverständlich. Das kommt daher, dass die Behandlung zu wirken beginnt.
Hat mein Arzt einen Namen?
Farr. Samuel Farr.
Farr … Hmm … Ja, Samuel Farr … Sie kennen nicht zufällig eine Frau namens Anna?
Darüber reden wir später. Fürs Erste
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