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Reisen im Skriptorium

Reisen im Skriptorium

Titel: Reisen im Skriptorium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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müssen Sie nur die Erzählung zu Ende lesen.
    In Ordnung, ich lese die Erzählung zu Ende. Aber wenn Sie zu mir kommen – wie kann ich wissen, dass Sie es sind? Was, wenn jemand anders sich als Sie ausgibt?
    Auf Ihrem Schreibtisch liegt ein Bild von mir. Von oben gezählt das zwölfte in dem Stapel. Sehen Sie es sich gut an, und wenn ich auftauche, werden Sie keine Schwierigkeiten haben, mich zu erkennen.

 
    Mr.   Blank hat wieder auf dem Stuhl Platz genommen und beugt sich über den Schreibtisch. Statt der Anweisung zu folgen und in dem Fotostapel nach Samuel Farrs Bild zu suchen, greift er nach Block und Kugelschreiber und fügt seiner Liste einen weiteren Namen hinzu:
    James P.   Flood
    Anna
    David Zimmer
    Peter Stillman junior
    Peter Stillman senior
    Fanshawe
    Mann mit Haus
    Samuel Farr
    Er schiebt Block und Stift beiseite und nimmt sich gleich wieder das Typoskript der Erzählung vor; sein Vorhaben, das Foto von Samuel Farr herauszusuchen, vergisst er ebenso, wie er längst vergessen hat, nach dem Schrank zu suchen, der sich angeblich in dem Raum befindet. Die letzten Seiten des Textes lauten folgendermaßen:
    Die lange Reise nach Ultima gab mir reichlich Zeit, über das Wesen meiner Mission nachzudenken. Alle dreihundert Kilometer übernahm ein neuer Kutscher die Zügel; ich hatte nichts anderes zu tun, als im Wagen zu sitzen und in die Landschaft hinauszuschauen, und je näher mein Ziel heranrückte, desto stärker wurde mein Vorgefühl einer drohenden Gefahr. Ernesto Land war mein Kamerad und vertrauter Freund gewesen, und es machte mir größte Schwierigkeiten, Jouberts Urteil zu akzeptieren, er sei zum Verräter an einer Sache geworden, die er sein Leben lang verteidigt hatte. Er war nach dem Fusionsvertrag des Jahres 31 beim Militär geblieben und hatte seine Arbeit als Nachrichtendienstoffizier unter der Ägide des Kriegsministeriums fortgesetzt, und wann immer er bei uns zu Hause zum Abendessen war oder ich mich mit ihm in einem der Gasthäuser unweit der Esplanade des Ministeriums zu einem nachmittäglichenImbiss getroffen hatte, hatte er mit Enthusiasmus vom unweigerlichen Sieg der Konföderation gesprochen, voller Zuversicht, dass alles, wovon wir geträumt und wofür wir seit frühester Jugend gekämpft hatten, am Ende in Erfüllung gehen werde. Und jetzt, wenn man Jouberts Agenten in Ultima glauben konnte, hatte Land nicht nur einfach die Choleraepidemie überlebt, sondern sogar noch seinen Tod vorgetäuscht, um mit einer kleinen Armee von Antikonföderationalisten in die Wildnis vorzudringen und unter den dort lebenden Primitiven einen Aufstand anzuzetteln. Nach allem, was ich von ihm wusste, konnte ich diese Beschuldigung nur für absurd und unsinnig halten.
    Land war in der bäuerlichen Provinz Tierra Vieja im Nordwesten aufgewachsen, jenem Teil der Welt, aus dem auch meine Frau Beatrice stammte. Als Kinder waren sie Spielkameraden, und viele Jahre lang gingen ihre Familien davon aus, dass sie später heiraten würden. Beatrice hat mir einmal gestanden, Ernesto sei ihre erste Liebe gewesen, und als er sich später von ihr abwandte und Hortense Chatterton, die Tochter einer wohlhabenden Reederfamilie aus Mont Sublime, zur Frau nahm, hatte sie das Gefühl, mit ihrem Leben sei es vorbei. Doch Beatrice war ein starkes Mädchen und zu stolz, ihr Leid mit irgendwem zu teilen, und zum Beweis ihrer bemerkenswerten Courage und Seelengröße begleitete sie ihre Eltern und ihre zwei Brüder zu der fürstlichen Hochzeitsfeier auf dem Anwesender Chattertons. Dort wurden wir einander vorgestellt. Schon an jenem ersten Abend verlor ich mein Herz an sie, aber dann musste ich achtzehn Monate lang um sie werben, ehe sie meinen Heiratsantrag endlich annahm. Ich wusste, in ihren Augen konnte ich mich mit Land nicht messen. Ich war weder so attraktiv noch so geistreich wie er, und es dauerte einige Zeit, bis sie begriff, dass meine Charakterfestigkeit und meine entschlossene Hingabe an sie als Grundlage für einen lebenslangen Bund auch nicht gering zu schätzen waren. Sosehr ich Land bewunderte, übersah ich doch seine Fehler nicht. Er hatte immer etwas Wildes und Ungebärdiges an sich gehabt, ein eigensinniges Vertrauen auf seine Überlegenheit über andere, und trotz seines charmanten und einnehmenden Wesens, jenes angeborenen Talents, allenthalben die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, merkte man ihm an, dass unmittelbar unter dieser Oberfläche auch eine unheilbare Eitelkeit lauerte. Seine Ehe mit Hortense

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