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Reisen im Skriptorium

Reisen im Skriptorium

Titel: Reisen im Skriptorium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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zum Schreibtisch, wo er es in den Stapel zurückschiebt. Wenn Sie wollen, schicke ich Ihnen heute Nachmittag jemanden vorbei.
    Gut, murmelt Mr.   Blank, von Farrs entgegenkommendem Diensteifer ein wenig aus der Fassung gebracht. Schon besser.
    Farr sieht auf seine Uhr, kommt vom Schreibtisch zurück, setzt sich wieder aufs Bett, Mr.   Blank gegenüber, der noch immer neben der Badezimmertür auf seinem Stuhl sitzt. Es ist schon spät, sagt der junge Mann. Wir müssen anfangen.
    Anfangen? Mit was anfangen?
    Mit der Sprechstunde.
    Ich kenne das Wort, aber ich habe keine Ahnung, was Sie damit meinen.
    Wir sollten über die Erzählung sprechen.
    Wozu? Das ist doch nur der Anfang einer Erzählung, und da, wo ich herkomme, sollten Erzählungen einen Anfang, einen Mittelteil und einen Schluss haben.
    Ich bin vollkommen Ihrer Meinung.
    Von wem stammt dieses Geschreibsel überhaupt? Der Schmierfink sollte an die Wand gestellt und erschossen werden.
    Der Mann heißt John Trause. Schon mal gehört?
    Trause   … Hmmm   … Kann sein. Hat der nicht Romanegeschrieben? Das ist jetzt alles ein bisschen verschwommen, aber ich glaube, ich habe einige davon gelesen.
    Das haben Sie. Da können Sie beruhigt sein.
    Warum bekomme ich dann nicht einen seiner Romane zu lesen – statt dieser stümperhaften, unfertigen Geschichte, die nicht mal einen Titel hat?
    Trause hat die Geschichte zu Ende geschrieben. Das Manuskript hat einhundertundzehn Seiten und stammt von Anfang der fünfziger Jahre, als er gerade zu schreiben anfing. Sie mögen nicht viel davon halten, aber für einen jungen Mann von dreiundzwanzig, vierundzwanzig Jahren ist es gar nicht so übel.
    Ich verstehe das nicht. Warum bekomme ich nicht den Rest zu lesen?
    Weil das zur Behandlung gehört, Mr.   Blank. Wir haben Ihnen dieses viele Papier nicht bloß zu Ihrer Unterhaltung auf den Schreibtisch gelegt. Wir verfolgen damit gewisse Zwecke.
    Als da wären?
    Ihre Reflexe zu testen, zum Beispiel.
    Meine Reflexe? Was haben die damit zu tun?
    Geistige Reflexe. Emotionale Reflexe.
    Und?
    Ich möchte, dass Sie mir den Rest der Geschichte erzählen. Sehen Sie sich die Stelle an, wo Sie zu lesen aufgehört haben, und sagen Sie mir, was Ihrer Meinung nach jetzt geschehen soll, bis zum letzten Absatz, biszum letzten Wort. Den Anfang haben Sie bereits. Jetzt möchte ich, dass Sie mir den Mittelteil und den Schluss erzählen.
    Was soll das sein – eine Art Gesellschaftsspiel?
    Wenn Sie so wollen. Ich ziehe es vor, es als Übung in logischer Phantasie zu betrachten.
    Ein hübscher Ausdruck, Herr Doktor.
Logische Phantasie.
Seit wann hat Phantasie etwas mit Logik zu tun?
    Seit jetzt, Mr.   Blank. Von dem Augenblick an, wo Sie anfangen, mir den Rest der Geschichte zu erzählen.
    Na schön. Ich habe ja sowieso nichts Besseres zu tun.
    Gut. Weiter so.
    Um sich auf die anstehende Aufgabe zu konzentrieren, schließt Mr.   Blank die Augen, doch als er den Raum und seine unmittelbare Umgebung ausblendet, erscheint zu seiner Beunruhigung wieder jene Prozession von Chimären, die ihm bereits an früheren Stellen der Erzählung durch den Kopf gezogen ist. Mr.   Blank schüttelt sich bei dem schaurigen Anblick und macht sofort wieder die Augen auf, um ihn zum Verschwinden zu bringen.
    Stimmt was nicht?, fragt Farr mit besorgter Miene.
    Die verdammten Gespenster, sagt Mr.   Blank. Sie sind wieder da.
    Gespenster?
    Meine Opfer. Die Menschen, denen ich im Lauf der Jahre Leid zugefügt habe. Jetzt sind sie alle hinter mir her, um sich zu rächen.
    Behalten Sie die Augen einfach auf, Mr.   Blank, dann sind sie nicht mehr da. Wir müssen mit der Geschichte weiterkommen.
    Na schön, na schön, sagt Mr.   Blank und stößt einen langen wehleidigen Seufzer aus. Geben Sie mir etwas Zeit.
    Erzählen Sie mir doch einfach, was Sie von der Konföderation halten. Vielleicht hilft Ihnen das, einen Einstieg zu finden.
    Die Konföderation   … Die Kon-fö-de-ra-tion. Das ist alles ganz einfach, oder? Bloß ein anderer Name für Amerika. Nicht die Vereinigten Staaten, wie wir sie kennen, sondern ein Land, das sich anders entwickelt hat, das eine andere Geschichte hat. Aber die Bäume, die Berge und die Prärien dieses Landes sind alle genau da, wo sie bei uns auch sind. Die Flüsse und Ozeane sind identisch mit unseren. Die Menschen gehen auf zwei Beinen, sehen mit zwei Augen und fühlen mit zwei Händen. Sie haben widersprüchliche Gedanken und reden mit gespaltener Zunge.
    Gut. Was geschieht jetzt mit

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