Reisestipendien
Ihren Virgil, denn der meinige ist schließlich aufgeknüpft worden.«
Im Laufe des Tages kreuzte der »Alert« mehrere der Fahrzeuge, die zwischen den Antillen die Küstenfahrt betreiben, er kam aber keinem davon zu nahe. Am meisten fürchtete Harry Markel übrigens eine mehrtägige Windstille, die seine Ankunft vor Martinique um ebensoviel verzögert hätte.
Zeigte die Brise aber auch Neigung zum Abflauen, so legte sie sich, selbst am Abend, doch nicht gänzlich. So schwach sie wurde, schien sie doch die Nacht über andauern zu sollen. Da sie von Nordosten kam, war sie dem »Alert« günstig, so daß auf diesem nicht einmal die oberen Segel eingezogen wurden, obgleich das sonst zwischen Untergang und Aufgang der Sonne stets zu geschehen pflegte.
Vergeblich bemühten sich die Passagiere, vor dem Eintritte völliger Dunkelheit noch den Gipfel des Mont Pelé zu erspähen, der dreihundertsechsundfünfzig Meter über das Meer emporragt. Gegen neun Uhr verschwanden sie dann in ihren Kabinen, deren Türen der Wärme wegen offen stehen blieben.
Noch nie war ihnen eine Nacht so still wie diese erschienen, und schon um fünf Uhr morgens betraten sie wieder das Verdeck.
Da zeigte Tony Renault sofort nach einer Anhöhe und rief:
»Der Mont Pelé… da liegt er!… Er ist’s… ich erkenne ihn wieder.
– Du erkennst ihn wieder? ließ sich Roger Hinsdale mit kaum verhüllter Ungläubigkeit im Tone vernehmen.
– Gewiß!… Warum sollte er sich denn seit fünf Jahren verändert haben?… Da, seht: die drei Spitzen des Carbet.
– Nun wahrlich, Tony, du mußt sehr gute Augen haben!
– Ganz ausgezeichnete!… Glaubt mir nur, daß das der Mont Pelé ist, der aber keineswegs kahl (franz.
pelé)
ist. Er ist grün und bewaldet, wie alle Berge meiner Insel. Und dort auf meiner Insel werdet ihr noch manche andere zu sehen bekommen, wenn wir erst die Höhe des Vauclin besteigen. Ob ihr’s nun wollt oder nicht, ihr werdet meine Insel, die schönste der Antillen, schon bewundern lernen!«
Da ließ man ihn seine Loblieder singen, den kecken Burschen, der doch jeden Einspruch widerlegt hätte.
Von jeder Übertreibung abgesehen, hatte Tony Renault mit seinem Preise Martiniques doch ganz recht. Die Insel nimmt ihrer Ausdehnung nach die zweite Stelle in der Gruppe der Antillen ein; sie umfaßt nämlich neunhundertsiebenundachtzig Quadratkilometer und hat nicht weniger als hundertsiebenundsiebzigtausend Einwohner, darunter zehntausend Weiße, fünfzehntausend Asiaten und hundertfünfzigtausend Neger und Farbige, die meist hier geboren waren. Durchweg ist sie erfüllt von Bergen, die bis zu den höchsten Gipfeln von prächtigen Wäldern bedeckt sind. Ihr hydrographisches Netz, das für die Fruchtbarkeit des Bodens ja von so hoher Bedeutung ist, genügt zur Ausgleichung der tropischen Hitze. Die meisten ihrer Flüsse sind sogar schiffbar und ihre Häfen für die größten Schiffe zugänglich.
Den ganzen Tag wehte die Brise nur sehr schwach Nur am Nachmittage frischte sie zeitweilig ein wenig auf, und bald meldeten die Wachen die Landspitze Macouba am nördlichen Ausläufer von Martinique.
Erst in der Nacht gewann der Wind an Stärke und der sein gesamtes Segelwerk tragende »Alert« kam nun in schnellerer Fahrt um die Westküste der Insel herum.
Bei Tagesanbruch zeigte sich schon der niedrige Jakobsberg, der weniger entfernt von der Mitte des Landes liegt als der Mont Pelé, dessen Gipfel über die Morgennebel hervorragte.
Gegen sieben Uhr wurde dann an der Küste, nahe dem nordwestlichen Ende der Insel, eine Stadt sichtbar.
»Saint-Pierre Martinique!« erscholl es da freudig aus Tony Renaults Munde.
Saint-Pierre auf der Insel Martinique.
Und mit lauter Stimme sang er den Refrain des alten französischen Liedes:
Das ist das Land, das mir das Leben gab!
Tony Renault hatte wirklich in Saint-Pierre das Licht der Welt erblickt. Als seine Familie aber Martinique verließ, um nach Frankreich überzusiedeln, hatte sie hier keinen Angehörigen mehr zurückgelassen.
Das an demselben Ufer mehr südlich und am Eingange der gleichnamigen Bucht gelegene Fort-de-France, das ursprünglich Fort, Roque hieß, ist die Hauptstadt von Martinique. Der Handel hat sich hier aber niemals so umfänglich entwickelt wie in Saint-Pierre, das mit einer Bevölkerung von sechsundzwanzigtausend Köpfen die von Fort-de-France um zwei Fünftel übertrifft. Die andern nennenswerteren Städte Martiniques sind: an der Westküste Laurentin,
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