Reiterhof Birkenhain 05 - Strumnacht am Meer
Vater draußen ist?«, fragte Jasmin, als der Stallbesitzer gegangen war. »Doch«, gab Ronja zu. »Aber hier an der Küste muss man sich gegenseitig helfen. Das geht nicht anders.« Mit der Teetasse in der Hand schlenderte Herr Jensen zum Tisch der Mädchen. »Wir sollten unsere Pferde in den Stall holen. Uber Nacht will ich sie nicht auf der Wiese lassen.«
Sein Ton klang entspannt. Er wusste nicht, was ihn draußen erwartete. Sonst hätte er vor Schreck den Tee mit Rum verschüttet.
10. Kapitel
Die Pferde sind weg!
Der Wind blies ihnen sofort Sand in die Augen, als sie auf den Hof traten. Was sie trotzdem erkannten, ließ allen schlagartig den Atem stocken: Die kleine Weide war leer.
Auf dem Stück Wiese, das Herr Harms gestern für die Fjordies, für Ankum und Santana abgeteilt hatte, standen zwei Pfähle quer. Wahrscheinlich vom Wind zur Seite gedrückt. Dazwischen lag der defekte Zaun flach am Boden.
Als Täter kam nur einer in Frage: Kalle, der Ausbrecherkönig.
Der witterte jede Chance für einen Ausflug. Sicher hatte er den Zaun vollends heruntergetrampelt und war getürmt. Oie, Stella und Stiena im Schlepptau hinterher. Klar, dass auch Ankum und Santana sich angeschlossen hatten.
Ratlos blieben die Drillinge auf dem Weg zur Wiese stehen. Ausgerechnet jetzt war ihr Vater nicht da! Jule,
Conny und Luisa wussten auch nicht, was sie tun sollten. Und Herr Jensen?
Der stöhnte und raufte sich die Haare. »Bei diesem Unwetter!«, war alles, was er hervorbrachte.
Rike fasste sich als Erste.
»Nur die Ruhe«, sagte sie. Nein, sie schrie es eher, um überhaupt gehört zu werden. »Die Pferde können nicht weit sein. Hier gibt es ja nur eine Straße - die am Deich entlang.«
Unverzüglich wollte Kai Jensen auf die Suche gehen. »Sie?« Kopfschüttelnd baute sich Conny vor ihm auf. »Mit Ihren genagelten Knochen? Denken Sie an Ihren Unfall.«
Mit sanfter Gewalt - und mit Hilfe des steifen Nordwests - schob sie ihren protestierenden Reitlehrer zurück zum Haus.
Da!
Hufeisen klapperten über den Asphalt! Aus tausend Geräuschen hören Pferdefreunde dieses eine sofort heraus.
Die Köpfe flogen herum. War der Alptraum etwa schon vorbei? Kehrten die Flüchtlinge zurück?
Von der Deichstraße kämpfte sich ein Mensch in die Einfahrt vor, bekleidet nur mit dünner weißer Bluse und Jeans. Rechts daneben trottete Ankum. Seine wehende Lockenmähne verdeckte den Kopf der Person. Jetzt gab eine Böe das Gesicht frei - es war Ulrike Mühlberg. Links von ihr tänzelte Santana. Als Strick-Ersatz hatte Frau Mühlberg ihren blauen Blazer durch das Halfter der Stute gezogen.
»Hier sind eure Ausreißer zurück«, rief sie. »Die beiden grasten direkt vor meiner Pension.«
So schnell der Wind es zuließ, stapften Jule und Rike Frau Mühlberg entgegen und übernahmen die Pferde. Dass sie Ankum und Santana eingefangen hatte, brachte ihr einen zusätzlichen Pluspunkt ein. Jetzt war es schon beinahe unanständig, Frau Mühlberg weitere Steine in den Weg zu legen, was Ankums Kauf anging.
»Wollen Sie mit ins Haus kommen?«, bot Rita an. »Meine Mutter hat gerade frischen Tee gekocht.«
»Hast du einen Knall?«, fuhr Jule dazwischen. »Erst müssen wir ja wohl die vier Fjordies finden.« Gemeinsam brachten sie Ankum und Santana in den Stall und sagten drinnen Bescheid, dass sie auf Ponysuche gingen.
Antje Harms bestand darauf, dass die Mädchen Reitkappen aufsetzten, und nahm auch ihre eigene mit. Eine gab sie Ulrike Mühlberg, die ebenfalls mitsuchen wollte. Der zerknitterte Blazer blieb im Haus. Trotz des Unwetters war es auch ohne Jacke warm genug.
Herr Jensen wurde zum Bleiben verdonnert. Wegen seiner Knochen. Und um auf dem Reiterhof »Babysitter« für die Daheimgebliebenen zu spielen, was er mit leisen Verwünschungen zur Kenntnis nahm. Die »eingesperrten« Mädchen waren tödlich beleidigt, dass man ihnen die dramatische Entwicklung draußen vorenthielt.
Die Nachbarn ließen ihre Tee- und Rumtassen stehen und boten an bei der Suche zu helfen. Auch der Pastor. Der Suchtrupp, insgesamt bestand er aus sechs Erwachsenen, den Drillingen sowie Jule, Conny und Luisa, verteilte sich nach links und rechts auf die Deichstraße.
Wenn man sich dicht an die Böschung hielt, also auf dem Grünstreifen neben der Straße ging, war der Wind auszuhalten. Auf der Straße selbst kamen die Mädchen Richtung Norden kaum einen Schritt vorwärts.
Ohne Ergebnis trafen die Ponysucher nach einer halben Stunde wieder vor dem
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