Reiterhof Birkenhain 07 - Raetsel um das braune Fohlen
ziemlich verwirrt aus. Als ob sie von ihm verlangt hätte sich zu schminken und auf dem Balken Rad zu schlagen. Jule sah auf ihre Hände, den Lippenstift, das Taschentuch. Jetzt wurde ihr bewusst, wie merkwürdig sie auf Bastian wirken musste.
»Einer von euch muss sich die Lippen anmalen«, murmelte sie, »und dann dieses Taschentuch küssen.« Hoffentlich sah niemand ihre glühenden Ohren. Warum ließ sie sich bloß auf solche Spiele ein?
»Da kommt ja wohl nur einer in Frage«, grinste Paul. »Und zwar Basti fantasti.« Er schnappte sich den Lippenstift, malte Bastian einen knallroten Mund und presste ihm das Taschentuch gegen die Lippen. Genauso rot sieht mein Kopf bestimmt jetzt aus, dachte Jule, riss das Taschentuch mit dem aufgedrückten
Mund an sich und machte, dass sie wegkam. Ein Kuss von Bastian ... am liebsten würde sie das Taschentuch für immer behalten. Sie war selig.
An der Ecke traf sie Conny. Wen die wohl fragen würde? Paul oder Hendrik?
Conny kam kurz nach Jule völlig erledigt mit drei Kussmündern angerannt. Von allen Männern der Familie Zurmussen. Leider zu spät, denn Jule hatte den Punkt schon kassiert. Ihre Mannschaft gewann.
10. Kapitel
Basti fantasti
Abends wollte der Bauer ein Lagerfeuer anzünden.
Die Jungen schleppten Holzreste vom Bau an Hindernis Nr. 6 auf die leere Weide hinterm Haus. Latten, Obstkistenbretter und trockene Zweige wurden zu einem hohen Scheiterhaufen aufgeschichtet. Der schwarze Geländewagen des Ponyhofs brachte Getränkekästen, Knabbergebäck und Bänke.
Obwohl es noch hell war, zündete der Bauer das Holz schon an. Jeder nahm sich Essen und Saft und setzte sich so, dass er auf das Lagerfeuer blickte.
Das laute Lachen und Geschrei wurden allmählich weniger.
Es war ein romantischer Abend. Klare Luft, die schon ein bisschen nach Herbst roch. Duft von brennendem Holz. Geheimnisvolles Knistern, wenn die Flammen auf Harztropfen trafen. Weiß glühend sackten die ersten Scheite in sich zusammen.
Hinter der Pappelallee ging die Sonne unter. Die Shet-tys, die in großer Entfernung vor dem roten Himmel grasten, sahen aus wie schwarze Scherenschnitte.
Jule fühlte sich so gut wie lange nicht mehr. Was für ein Tag! Und morgen wartete noch ein Höhepunkt - die Wildpferde.
Vielleicht würden sie den Vater von Sallys Fohlen sehen? Und Bastian ... er mochte sie wirklich, seit heute wusste sie es ganz sicher. Jule griff in die Westentasche und tastete nach dem Taschentuch, das er geküsst hatte. Wo steckte Bastian überhaupt? Vorhin hatte er noch mit Paul vor seinem Fotoapparat gehockt und einen Film eingelegt. Jule ging zu Paul hinüber und fragte ihn. Er zuckte die Schultern. »Keine Ahnung.«
Jule spähte zu den Scheunen hinüber und über die Weiden. Nichts. Bestimmt war Bastian mit der Kamera losgezogen, um Fotos vom Sonnenuntergang zu machen. Schade. Jule wollte ihn gern dabeihaben am letzten Abend auf dem Ponyhof. Sie ging los, um Bastian zu suchen.
Sie lief den Reitweg entlang, den sie heute Morgen genommen hatten. Ein ganzes Stück war sie schon durch den Wald gegangen, da hörte sie auf einmal Stimmen auf der Lichtung! Am Teich, dem »Profisprung«, bewegte sich etwas.
Hastig verschwand Jule hinter einer Fichte und spähte aus ihrer Deckung hervor.
Eine hoch gewachsene Reiterin mit blauer Sicherheits-weste setzte über mehrere Hindernisse und sprang dann elegant und sicher in den Teich. Was hatte Susan T. gesagt? »Der Teich ist nur etwas für Profis.«
Unter dem blauen Reithelm der Unbekannten lugte ein blonder Zopf hervor. Sie saß im Sattel eines braunen, muskulösen Pferdes.
Und am Ufer . . . Jules Herz klopfte plötzlich schneller ... am Ufer stand Bastian und machte ein Foto nach dem anderen. Hier steckte er also. Heimlich!
Entgeistert sah Jule, wie er zu dem Zopfmädchen hinüber ging. Nein ... jetzt fasste er sie sogar an den Händen. Offenbar erklärte er ihr etwas, danach lachten beide ausgelassen.
Jule hatte das Gefühl, als legte sich eine eiskalte Hand in ihren Nacken. Sie verstand gar nichts mehr. Ihr Kopf dröhnte. Bestimmt war alles nur ein Alptraum, aus dem sie gleich aufwachte. Plötzlich zerknackte ein dürrer Ast unter Jules Füßen.
Sofort sah die Reiterin in ihre Richtung. Jule zog den Kopf zurück. Zu spät. Das Mädchen hatte sie gesehen und sagte etwas zu Bastian.
Doch Jule hörte es nicht mehr.
Wie von Hunden gehetzt stürzte sie davon. Zurück zum Hof. Ihr Magen drehte sich. Bloß weg von hier. Wenn sie nicht mit
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